Wie „divers“ und "inter" in den Eltern-Kind-Pass kamen

Es war ein vermeintlich unverfängliches Thema, das vergangene Woche für eine hitzige Debatte im Parlament gesorgt hatte: Wie berichtet will die Regierung den Eltern-Kind-Pass 2026 digitalisieren, womit das seit Jahrzehnten bekannte gelbe Heft (Mutter-Kind-Pass) der Vergangenheit angehört. Dagegen läuft die FPÖ Sturm. Mit der Umstellung werde das Recht auf ein analoges Leben „mit Füßen getreten“. Was die Blauen aber noch mehr stört, ist ein Detail im Eltern-Kind-Pass, das eigentlich schon vor Amtsantritt der aktuellen Regierung eingeführt wurde: Bei der Angabe des Geschlechts ist seit einigen Jahren nicht nur „weiblich“ und „männlich“ möglich, sondern auch die Kategorien „inter“, „divers“, „offen“ oder „keine Angabe“. In der Biologie gebe es aber nur zwei Geschlechtschromosomen, so FPÖ-Abgeordnete Ricarda Berger. Vernunft und Realitätssinn müssten endlich wieder Platz in der Politik finden. Doch wie kam es dazu, dass für Neugeborene gleich sechs Geschlechtskategorien im Eltern-Kind-Pass zur Verfügung stehen? Und wie wird in der Praxis entschieden, ob ein Baby männlich, divers oder vielleicht doch inter ist? Vorweg: Bei den sechs Kategorien handelt es sich keineswegs um eine Erfindung des Gesundheitsministeriums. Der Eltern-Kind-Pass sei laut Ressort von Korinna Schumann (SPÖ) ein amtliches Dokument. „Dafür ist gesetzlich festgelegt, welche Geschlechter angegeben werden dürfen. Wir als Ministerium können daher nur kein Geschlecht oder alle amtlichen Geschlechter zur Auswahl stellen“, so ein Sprecher. Basis ist ein Erlass des Innenministeriums, aus dem Jahr 2020, dem ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zwei Jahre davor zugrunde liegt. Dieses besagt, dass intergeschlechtliche Menschen ein Recht auf Eintragung ihrer individuellen Geschlechtsidentität – etwa im zentralen Personenstandsregister – haben. Arzt und Hebamme In dem Erlass ist auch festgelegt, wie bei Neugeborenen vorzugehen ist. Demnach legt der Anzeiger der Geburt – in der Regel ein Arzt oder eine Hebamme – die Geschlechtskategorie fest. In der Praxis ergeben sich bei Neugeborenen jedoch Schwierigkeiten. Bei der Kategorie „divers“ handelt es sich schließlich um eine Selbstzuschreibung. „Problematisch ist, dass die möglichen Einträge ‚inter‘, ‚divers‘ und ‚offen‘ synonym verwendet werden und hier die Auswahl den Ärzten bzw. Hebammen obliegt“, heißt es beispielsweise auf den Informationsseiten der Stadt Wien. „Auch ist nicht geregelt, wann keine Angabe zu machen ist.“ Im Erlass ist festgelegt, dass der Geschlechtseintrag ergänzt oder geändert werden soll, sobald eine Zuordnung möglich ist. Eine bestimmte Frist ist dafür nicht vorgesehen. So kann es theoretisch auch Personen geben, die lebenslang über keinen Geschlechtseintrag verfügen. Wie viele Neugeborene im Eltern-Kind-Pass einen anderen Eintrag als männlich oder weiblich haben, kann man im Gesundheitsministerium nicht beantworten. Verfügbar sind lediglich die Daten für die Gesamtbevölkerung (siehe Grafik). Laut Statistik Austria sind von den 9,2 Millionen Menschen in Österreich sieben inter und 14 offen. Ungeachtet der Unschärfen steht man seitens der Regierung hinter der bestehenden Regelung. „In Österreich werden jedes Jahr einige wenige Kinder geboren, deren Geschlecht bei der Geburt nicht eindeutig feststellbar ist – deutlich unter einem Prozent aller Geburten“, so das Gesundheitsministerium auf KURIER-Nachfrage. Sobald diese Kinder zur Schule gehen, stellt sich die Frage, in welchen Turnunterricht diese Schulkinder beispielsweise gehen. Aus dem Ressort von Christoph Wiederkehr (Neos) heißt es, das Ministerium gibt keine Vorgaben. „Es ist eine schulautonome Entscheidung.“