Der chinesische Autokonzern Geely erprobt derzeit eine ungewöhnliche technische Lösung für künftige Elektrofahrzeuge: eine Lenkung mit bis zu 90 Grad Einschlag. Wie chinesische Medien und erste Testberichte zeigen, lässt sich das Versuchsträger-SUV "EX5" dadurch nahezu quer zur Fahrtrichtung bewegen. Ziel der Entwicklung ist es, Wendigkeit und Manövrierfähigkeit insbesondere im urbanen Raum deutlich zu erhöhen. Neue Technologie im Testbetrieb Konkret bedeutet der extreme Lenkeinschlag, dass sich die Vorderräder fast rechtwinklig zur Karosserie ausrichten können. Das Fahrzeug soll dadurch problemlos seitwärts einparken oder auf sehr engem Raum drehen können, ohne klassisch rangieren zu müssen. Technisch umgesetzt wird dies über eine vollständig elektronische Lenkung ohne mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Rädern, ein sogenanntes Steer-by-Wire-System. Die Lenkbefehle werden digital übertragen, während mehrere Systeme die Sicherheit gewährleisten sollen. Zum Einsatz kommt die Technik bislang ausschließlich auf abgesperrten Testgeländen . Geely plant damit zu demonstrieren, welche Möglichkeiten sich durch die Kombination aus Elektroantrieb, flacher Skateboard-Plattform und elektronischer Fahrwerksarchitektur ergeben. Anders als bei Verbrennerfahrzeugen sind bei Elektroautos keine mechanischen Zwänge durch Motor oder Getriebe vorhanden, was größere Freiheiten bei Lenkgeometrie und Radaufhängung erlaubt. Eine genaue Analyse der Lenkmechanik ist noch unmöglich, da der Bereich hinter den Reifen in allen Videos und Presseaussendungen nur verpixelt zu sehen ist. Die 90-Grad-Lenkung ist hauptsächlich für niedrige Geschwindigkeiten vorgesehen. Bei höherem Tempo würde das System den Lenkeinschlag automatisch begrenzen. Vergleichbare Ansätze gibt es bereits bei einzelnen Serienfahrzeugen mit unterstützender Hinterachslenkung für vereinfachte Kurvenmanöver (beispielsweise beim neuen Audi A6), allerdings in deutlich geringerem Ausmaß. Bald auch bei Volvo und Polestar? Ob und wann die Technologie in Serie geht, ist offen. Der Hersteller äußert sich bislang nicht dazu, in welchen Modellen oder Märkten ein solches Lenksystem zum Einsatz kommen könnte. Auch regulatorische Fragen sind noch ungeklärt, da viele Zulassungsvorschriften weltweit weiterhin von einer mechanischen Verbindung zwischen Lenkrad und Rädern ausgehen. Geely zählt zu den größten Automobilkonzernen Chinas und ist international breit aufgestellt. Zum Konzern gehören unter anderem Volvo Cars, Polestar, Lotus, Lynk & Co und die London Electric Vehicle Company. Zudem hält Geely Anteile an Daimler Truck und der Mercedes-Benz Group. Der Konzern deckt damit ein breites Spektrum vom Volumenmarkt bis zur Premium- und Performanceklasse ab und investiert stark in Elektromobilität, Softwareentwicklung und neue Fahrzeugarchitekturen.