Der phänomenale Charme des Tenors in „La Bohème“ an der Staatsoper

Gäbe es eine Steigerung für die Begriffe absolute „Sinnlichkeit“ und „Wahrhaftigkeit“, könnte man den Namen Juan Diego Flórez vorschlagen. Der Tenor verkörpert zum ersten Mal den Rodolfo in Puccinis „La Bohème“ an der Staatsoper . Konkurrenzlos im Belcanto kann er im Verismo-Fach seinen phänomenalen Charme als Dichter auch vokal ausspielen und verleiht seiner Stimme eine atemberaubende Geschmeidigkeit. Sein Timbre leuchtet in den schönsten Farben. Mit Eleganz gestaltet er die Schlüsselsuche. Mit nobler Zärtlichkeit intoniert er das „Che gelida manina“, beim „Vivo!“ entfaltet er die Strahlkraft seiner Tenorstimme mit Espressivo. Innig drückt er im finalen Akt seine Sehnsucht nach Mimì aus. Diese zeigt Nicola Car extrovertiert mit einer gewissen Abgeklärtheit. Wenn sie auf die volle Kraft ihres Soprans setzt, übertönt sie alles. Wiener Staatsoper/Stephan Brückler Andrey Zhilikhovsky ist eine Entdeckung als Marcello. Dynamisch, passioniert stellt er den Maler dar. Von dem dunkelgoldenen leuchtenden Timbre dieses Baritons möchte man gern mehr hören. Anna Bondarenko ist ihm eine resolute, kraftvolle Musetta. Ivo Stanchev verabschiedet sich als Colline ohne großes Pathos von seinem Mantel. Jusung-Gabriel Park ergänzt sehr gut als Schaunard. Dass in den ersten Szenen das Einverständnis zwischen Bühne und Graben auf leicht wackeligen Beinen steht, ist den großen Emotionen zuzuschreiben, die Giacomo Sagripanti am Pult des Staatsopernorchesters generiert. Er setzt auf satte Klangfarben, kammermusikalische Passagen und ein hohes Maß an Sinnlichkeit. Franco Zeffirellis Bilderbuch-Inszenierung erhöht das Puccini-Glück. Einhellige Zustimmung für alle Beteiligten.