Toni Krucker ist nach Verbüssen einer langjährigen Gefängnisstrafe seit zwanzig Jahren verwahrt. Vor zwei Jahren hat er der WOZ seine Geschichte erzählt. Die meiste Zeit verbrachte Krucker, der eigentlich anders heisst, im normalen Strafvollzug. Dagegen hatte er sich zu wehren begonnen, bekam aber nicht recht. Sein Anwalt Stephan Bernard hat nun den Fall nach Strassburg weitergezogen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wird entscheiden müssen, ob das hiesige Verwahrungsregime nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstösst. In Deutschland hatten Gerichtsentscheide dazu geführt, dass man das «Abstandsgebot» umsetzen musste. Verwahrte bleiben in Haft, um die Bevölkerung vor ihnen zu schützen, nicht um sie zu bestrafen. In Deutschland nennen die Jurist:innen das präventive Wegsperren «Sonderopfer».Verwahrte, die ihre Strafe ja schon abgesessen haben, sollen damit möglichst selbstbestimmt leben können und werden deshalb in gesonderten Institutionen untergebracht – das Abstandsgebot meint also den Abstand zum normalen Strafvollzug. Bernard sagt, seines Wissens sei die Frage, ob der Schweizer Verwahrungsvollzug menschenrechtskonform ist, noch nie derart grundsätzlich thematisiert worden. Es gab vor einigen Jahren eine Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof, die die Arbeitspflicht für Verwahrte über 65 Jahren infrage stellte. Ein Verwahrter hatte sich dagegen gewehrt, dass es im Gefängnis keine Pensionierung gibt. Das Gericht lehnte seine Beschwerde aber 2014 ab. «Wird die aktuelle Beschwerde gutgeheissen, heisst dies allenfalls, dass die Haftbedingungen im Verwahrungsvollzug der Schweiz nicht vor der EMRK standhalten», konstatiert Anwalt Bernard. «Der Vollzug müsste dann in sehr kurzer Zeit völlig überdacht werden, ansonsten könnten sämtliche Verwahrte gegen ihre Haftbedingungen vorgehen.» Laut Bundesamt für Statistik sind in der Schweiz aktuell knapp 130 Personen verwahrt. Für sie müssten, falls Krucker recht bekommt, wohl wie in Deutschland neue Einrichtungen gebaut werden, in der sie mehr Freiheiten genössen. Nachtrag zum Artikel «Waschen, kochen, kann ich das überhaupt noch?» in WOZ Nr. 32/23 .