Wiens Wohnpolitik als Inspiration für EU

15 Kräne ragen derzeit in den grauen Himmel, fast alle stehen still. Im Village im Dritten ist schon Weihnachtsruhe angesagt, als Dan Jørgensen am Freitag dort das neue rote Wien inspiziert. Das Village im Dritten ist ein Stadtentwicklungsprojekt, das im Endausbau 6.000 Menschen beherbergen wird. 600 wohnen jetzt schon dort, 2027 soll die vor vier Jahren begonnene Realisierung des letzten Teils eines neuen Stadtviertels auf den Aspanggründen abgeschlossen sein. Jørgensen ist der erste EU-Kommissar für Wohnen und Energie , ein Thema, das in der EU lange nicht auf der Agenda gestanden ist. Am Dienstag hat er in Straßburg seinen EU-Plan für leistbares Wohnen präsentiert (siehe Infobox). „Wien ist nicht zufällig die erste Stadt seither, in der ich bin“, sagt Jørgensen bei dem gemeinsamen Termin mit dem Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig. Und dieser hört das nicht ungern, dass Wien Vorbild und Inspiration in Sachen Wohnen für ganz Europa sein soll. Ludwig nimmt den Ball gerne auf, verweist auf „100 Jahre Tradition im sozialen Wohnbau“ und versichert, dass niemals daran gedacht werde, die 220.000 Gemeindewohnungen oder nur Teile davon zu verkaufen oder zu privatisieren. Inspiration für EU-Staaten Auf dieses Modell setzt Jørgensen große Hoffnung, ohne es den anderen Ländern verordnen zu wollen: „Ich hoffe sehr, dass sich andere Länder davon inspirieren lassen.“ Das sei Teil seines Plans, Anreize zu schaffen, damit Investitionen im Wohnsektor gefördert werden. Dafür werden auch die Beihilferegeln gelockert. Denn, und daran lässt Jørgensen keinen Zweifel: „Wir befinden uns in einer Wohnkrise, die auch eine Sozialkrise und somit auch eine Gefahr für die Demokratie ist." Josef Kleinrath Dan Jørgensen und Michael Ludwig. Die Intention seines Plans sei, dass sich Krankenpfleger, Polizistin und Lehrerin dort das Leben leisten können, wo sie auch arbeiten. Denn die Wohnkrise sei durch lange Fahrzeiten zum Arbeitsplatz auch ein großer Standortnachteil, betont Ludwig in diesem Zusammenhang „in Richtung meiner konservativen Freunde“. Ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang sind auch Regeln für die touristische Kurzzeitvermietung von Wohnungen, in touristischen Ballungszentren ein großes Problem. Problem Kurzzeitmiete Wien hat die Regelung eingeführt, dass dies nur noch maximal 90 Tage pro Jahr gemacht werden dürfe, die EU wolle Regelungen vorbereiten, die vor Höchstgerichten halten, damit diese Wohnungen künftig nicht dem ohnehin knappen Markt entzogen werden. Dazu sollen etwa besonders belastete Teile in europäischen Städten definiert werden, in denen diese Regulative dann eingesetzt werden können, wobei Jørgensen Wiens Regel für gut hält. Josef Kleinrath Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, Karin Ramser (Wiener Wohnen), Paul Steurer (Gesiba) Andreas Schieder (SPÖ) und EU Kommissar Dan Jørgensen (v.l.) bei der Besichtigung im Village im Dritten. Apropos Markt: In Europa sind 650.000 Wohnungen pro Jahr nötig, um die Wohnungskrise einzudämmen, rechnet die EU. In Wien etwa müssen zwei Drittel der neuen Wohnungen geförderte – also leistbare – Wohnungen sein. Hoher Finanzbedarf 150 Milliarden Euro werden dafür gebraucht, 43 Milliarden Euro hat die EU laut Jørgensen in der aktuellen Haushaltsperiode mobilisiert, es sollen noch mehr werden. Den Hauptanteil sollen aber die durch den Plan ausgelösten privaten Investitionen stemmen. Worauf Jørgensen auch setzt: Das vorhandene Gebäude, die leer stehen, besser genutzt werden. Dieses Wiederverwendung bestehender Ressourcen sei auch „besser für Klima, Wirtschaft und das Kulturerbe. Wien macht das bereits sehr gut. Das wird hoffentlich ein Trend in anderen Städten auch.“ Und er ergänzt in Sachen beispielhaftes Wien: „Dass Wien zu den lebenswertesten Städten der Welt gehört, zeigt aber, dass die Politik hier sehr gut und sehr inklusiv arbeitet, Zusammenhalt schafft, Sicherheit bietet und es den Menschen ermöglicht, ihre Leben gut gestalten. Ja, Wien ist ein positives Beispiel.“