Das ORF -Korrespondentennetz steht unter Wechselstrom. Zahlreiche Positionen wurden und werden um- und neu besetzt, Gerüchte machen die Runde. ORF-Chefredakteurin Gabriele Waldner-Pammesberger erklärt, was los ist zwischen Moskau, Kiew und Kairo. KURIER: Der ORF kehrt nach Russland zurück, Carola Schneider darf nach langer Zeit wieder als Korrespondentin dort arbeiten und berichten. Wie kam es dazu, dass von der russischen Regierung wieder eine Akkreditierung ausgestellt wurde? Gabriele Waldner-Pammesberger: Eineinhalb Jahre ist es jetzt her, dass die Akkreditierung entzogen wurde. Das war damals nicht ganz überraschend, weil das dem berühmten Reziprozitätsprinzip in der Diplomatie folgte. Das heißt, wenn ein Staat sich schlecht von einem anderen behandelt fühlt, dann folgt irgendein Vergeltungsschritt gegen dessen Bürgerinnen und Bürger. Dieser traf direkt unsere beiden Korrespondentinnen in Moskau , wogegen wir auch protestiert haben. Wir haben dann im Hintergrund versucht, das uns Mögliche zu tun und ab Mitte 2025 durften wir auch wieder hoffen. Nach entsprechenden Signalen hat Carola Schneider erneut eine Akkreditierung beantragt und diese jetzt vor kurzem auch erhalten. Wie schwierig war es, Carola Schneider zu überzeugen, wieder nach Moskau zurückzugehen? Der russische Staat sieht ja in westlichen Journalisten - man kann es so nennen - Feinde. Das war nicht schwierig, denn sie wollte von dem Tag an, als sie nach Wien zurückgekommen ist, wieder raus. Sie hat eine Riesenleidenschaft für dieses große, spannende Land. Schwieriger waren andere Entscheidungen: Da wir nicht wussten, wie lange der ORF ausgesperrt bleibt, war festzulegen, wie lange wir die Infrastruktur vor Ort aufrechterhalten, obwohl wir sie nicht nutzen durften. Das ist ja auch mit Kosten verbunden. Aber das Nichtzusperren hat sich letztlich ausgezahlt. Wie wird der ORF in Moskau künftig organisiert sein? Carola Schneider wird ab 1. Jänner wieder die Büroleitung übernehmen. Zusätzlich wird Christian Lininger , ein Kollege mit enormer Erfahrung in der Auslandsberichterstattung und insbesondere, was Russland betrifft, sie temporär unterstützen. Er wird von der Wiener Auslandsredaktion in regelmäßigen Intervallen nach Moskau reisen, seine Akkreditierung laufend erneuern, auch ihre Urlaubsvertretung sein und wir versuchen jetzt einmal mit diesem System das Auslangen zu finden. Ich halte es für eine sehr gute Lösung. Wie es mit der ORF-Berichterstattung in der Ukraine weitergeht Wenn man von Russland spricht, muss man leider auch Russlands Krieg gegen die Ukraine ansprechen. Christian Wehrschütz, der im kommenden Jahr in Pension gehen wird, harrt in der Ukraine aus. Wie wird es mit der Berichterstattung dort weitergehen? Wir haben nun entschieden, dass Cornelia Primosch mit Ende Juni 2026 das Belgrader ORF-Büro übernimmt. Christian Wehrschütz kann sich ab diesem Zeitpunkt ganz auf die Ukraine konzentrieren. Wenn er dann gegen Ende des Jahres in Pension geht und sich vorher vielleicht noch der einen oder anderen Dokumentation widmen will, dann wird ab dem Spätherbst die Ukraine-Berichterstattung vom ORF-Büro Budapest übernommen werden. Das ist eine klassische Länderkombination, wie wir sie ja in etlichen Büros haben. Thomas Ramstorfer/ORF Carola Schneider (li.) hat von Russland wieder eine Akkreditierung erhalten und übernimmt ab 1. Jänner das Moskau-Büro des ORF In der Ukraine herrscht der Krieg, es gibt schwierige politische und sonstige Umstände. Mit Paul Krisai haben wir nun jemanden in Budapest, der gelernt hat, mit so etwas umzugehen. Er war bereits vier Jahre lang in Russland für den ORF tätig und das waren ganz schwierige Jahre für die Berichterstattung. Zudem stehen all unseren Korrespondentinnen und Korrespondenten immer und jederzeit Schulungen für den Einsatz in Krisen- und Kriegsgebieten zur Verfügung. Was für Russlands Krieg gegen die Ukraine gilt, gilt etwa auch für den Gaza-Krieg: Korrespondenten haben mittlerweile nicht nur die Funktion, dem Publikum daheim nahezubringen, was da vor Ort stattfindet, sondern sie sind inzwischen auch Projektionsflächen. Da geht es dann um Deutungshoheiten von Regierungen, von Organisationen, Lobbyisten usw. Wie sind Ihre Leute grundsätzlich darauf eingestellt? Gerade auf Social Media-Kanälen ist ja der Brüllaffe unterwegs, womit es schwer ist umzugehen. Das Wichtigste ist: Den Brüllaffen, um bei Ihrem Beispiel zu bleiben, nicht füttern. Das ist, glaube ich, ein guter Ansatz für jeden Journalisten, jede Journalistin, egal über welche Weltgegend man berichtet oder über welches Thema. Und weil das Stichwort Deutungshoheit gefallen ist – das Ringen darüber überlassen wir den Konfliktparteien oder deren Sympathisantinnen und Sympathisanten. Das ist nicht unser Job als Journalisten. Uns geht es darum, mit der größtmöglichen Annäherung an die Realität zu schildern, was ist. Eine Meinung sollen sich die Menschen selbst bilden. Ein bisschen problematisch ist natürlich - darunter leidet zunehmend der gesamte Journalismus -, dass die Toleranz bei manchen tendenziell sinkt, wenn Berichterstattung vom eigenen Weltbild oder von der eigenen Sicht der Dinge abweicht. Es ist aber unsere Aufgabe, trotzdem das zu berichten, was ist. Zur ORF-Zukunft von Karim El-Gawhary: "Kommentiere keine Gerüchte" Exponiert war Christian Wehrschütz, dem lange Russland-Freundlichkeit nachgesagt wurde. Exponiert war und ist in Bezug auf seine Gaza-Berichterstattung Karim El-Gawhary. KURIER-Recherchen zufolge wird der ORF seinen Vertrag nicht mehr verlängern und im Juni 2026, nach mehr als 20 Jahren, wird die Zusammenarbeit in der bisherigen Form enden. Möglicherweise wird es auch einen Standortwechsel für die Nahostberichterstattung geben. Was stimmt davon nicht? Das sind Gerüchte und die kommentiere ich nicht. Wir haben aktuell sehr viele wesentliche Weichenstellungen im ORF-Korrespondentennetz vorgenommen: Moskau, Belgrad, Budapest, die Schweiz. Darüber hinaus gehende Personalia oder gar Standortänderungen kann und will ich nicht bestätigen. Zur Erläuterung, warum: Ich verantworte die Arbeit von 135 Journalistinnen und Journalisten. 25 davon arbeiten im Ausland und von denen wiederum müssen in den nächsten 12 Monaten elf entweder verlängert, ins nächste Land weitergeschickt oder heimgeholt werden, weil sie befristete Verträge haben. Das heißt, es gehört für mich zum Tagesgeschäft, dass ich mich mit diesen Vertragsfragen beschäftige. Die diskutieren wir aber erst intern, dann entscheiden wir sie und danach kommunizieren wir Ergebnisse. Was ein bisschen überraschend war und in einem KURIER-Interview auch schon problematisiert wurde: Warum wurde Ernst Gelegs so kurz vor den wichtigen Wahlen in Ungarn abgelöst? Das war gar nicht überraschend, sondern Ernst Gelegs wird nächste Woche 65. Überraschender war für uns, dass er sogar einen Monat früher aussteigen wollte. Daher haben wir unsere Planung geändert und sofort Paul Krisai nach Budapest geschickt, der die Berichterstattung nahtlos fortsetzt und das ausgezeichnet macht. Es finden jetzt tatsächlich viele Wechsel statt. Was ist der große Blick auf dieses Korrespondentennetz des ORF? Dafür arbeiten 25 Journalisten, was viel ist. Es wird aber trotzdem weiter weiße Flecken auf der Landkarte geben, auch weil es einen Spardruck beim ORF gibt, von dem auch die Information nicht verschont bleibt. Was sind da Ihre Überlegungen? Ein sehr wichtiger Punkt ist - das habe ich auch in meinem Bewerbungskonzept vor zwei Jahren festgehalten -, dass wir wieder mehr Rotation hineinbringen in dieses System der Korrespondentinnen und Korrespondenten. Analog zum Diplomatischen Dienst, also regelmäßige Wechsel zwischen Positionen im Ausland und Dienst in der Zentrale in Wien. Zu den blinden Flecken auf der Landkarte: Gerne hätte der ORF in jedem Land der Welt ein Korrespondentenbüro. Wir können es uns nur leider nicht leisten und in den kommenden Jahren noch viel weniger. Die Aufgabe wird sein, so intelligent zu sparen, dass es trotzdem weiter eine hervorragende Berichterstattung durch unsere Korrespondentinnen und Korrespondenten gibt. Die liefern wir jetzt und das werden wir auch in Zukunft tun. Was sein kann, ist, dass wir Pläne, die wir erst deutlich später umsetzen wollten, aufgrund der Sparvorgaben auf 2026 vorziehen. Denn ab 2027 wird es wirklich schwierig. Da kommen weitere harte Einschnitte. Harte wirtschaftliche Einschnitte beim ORF Österreichs Nachbarländer sind zum Teil üppig ausgestattet mit Personal. Andererseits, wenn ich zum Beispiel an Afrika und Südamerika denke, da ist wenig bis nichts. Asien könnte weltpolitisch brenzlig werden, dann wäre da auch noch Handlungsbedarf. Also üppig ausgestattet ist keines unserer Auslandsbüros. In Asien haben wir seit 1. Juli eine neue sehr, sehr aktive Korrespondentin, Alexandra Siebenhofer . Sie erfreut uns jeden Tag mit vielfältigen Beiträgen, die in allen Medien des ORF schon gut wahrzunehmen sind. Was die anderen Regionen betrifft: Ja, wir hätten gerne in Zentral- oder Ostafrika noch ein Büro. Das strebt der ORF auch schon länger an und selbstverständlich wäre es auch interessant, nach Lateinamerika zu gehen. Was realisierbar ist, werden wir umsetzen. Wie sieht es aus mit Kooperationsmöglichkeiten, etwa mit deutschen Sendern, wie es auch in anderen Bereichen passiert? Oder ist da die gemeinsame Sprache ein Problem? Ich glaube nicht, dass die Sprache für das Publikum, das ja zwischen Programmen hin und her schaltet, noch ein Problem wäre. Nein, es ist unser eigener Anspruch, den wir als ORF-Information haben. Die Auslandsberichterstattung ist eine unserer Kernkompetenzen im journalistischen Bereich. Kein österreichisches Medium hat so ein großes Korrespondentennetz. Deshalb ist unser Anspruch selbstverständlich der, dass wir, was wichtig und notwendig ist, auch künftig selbst abdecken. Mit unseren Top-Leuten. Aber wir kooperieren natürlich immer wieder, wenn Bedarf besteht. Generationenwechsel bei den ORF-Korrespondenten im vollen Gang Belgrad, Budapest, Kiew, irgendwann Madrid und möglicherweise auch Kairo – da kündigt sich ein Generationswechsel an. Wie schwierig ist es, in den Redaktionen Leute an diesen Job heranzuführen, der dann noch anstrengender wird, wenn man alle zwei, drei Jahre, wie im diplomatischen Dienst, den Lebensmittelpunkt wechseln muss. Der Generationenwechsel ist bereits im vollen Gang – nicht nur bei den Korrespondentinnen und Korrespondenten, sondern auch in der Gesamtredaktion. Aber ich mache mir nicht die geringsten Sorgen. Wir haben exzellente Nachwuchsleute. Wir haben aber auch etliche Journalistinnen und Journalisten in der Auslandsredaktion, die schon ein paar Jahre älter und erfahrener sind, die auch gerne mal rausgehen würden. Allerdings: Korrespondent zu sein, ist ein wahnsinnig anstrengender, fordernder Job. Die Leute brauchen neben der hohen fachlichen Kompetenz in verschiedensten Bereichen, neben der Fähigkeit des multimedialen Arbeitens auch eine unglaubliche Resilienz. Alle zerren an einem, alle wollen etwas haben und das rund um die Uhr am besten sofort. Es ist aber trotzdem einer der attraktivsten Jobs, die der ORF zu bieten hat. Entsprechend hoch ist die Anziehungskraft, auch innerhalb des ORF. Danke für das Gespräch.