Kriechmayr über Krise: "Vielleicht war Abfahrt dem ÖSV nicht wichtig"

Es ist jetzt wirklich so weit gekommen, dass sich Vincent Kriechmayr gar nicht einmal mehr richtig ärgern kann, wenn er in der Abfahrt von Gröden eine Abfuhr erleidet. Im Laufe seiner Karriere hat der Routinier in den Dolomiten dermaßen viele Watschn kassiert, dass er es inzwischen offenbar akzeptiert hat, dass er und die Saslong keine Freunde mehr werden. „Mich fuchst es hier“, sagte Vincent Kriechmayr völlig ohne Groll nach seinem 13. Platz am Samstag. Damit bleibt für den Mann, der die Abfahrtsklassiker in Wengen , Bormio und in Kitzbühel gewonnen hat, im Grödnertal auf der Originalstrecke ein siebenter Rang das Highlight. Lichtblick Ploier Es war also wieder einmal eine Abfahrt zum Vergessen für das österreichische Speedteam. Darüber kann auch der persönliche Erfolg von Andreas Ploier , der mit Startnummer 50 zu seinem besten Ergebnis im Weltcup (Rang 11) fuhr, nicht hinwegtäuschen. Die ÖSV-Abfahrer können auch unter dem neuen Speedcoach Andreas Evers noch nicht richtig Fahrt aufnehmen. Seit 11 Weltcupabfahrten ist das Stockerl nunmehr schon eine österreichfreie Zone, der letzte Sieg ist ganze 1.012 Tage her. „Wir stehen in der Abfahrt mannschaftlich nicht so da, wie wir das wollen“, erklärt Teamleader Kriechmayr. Neidgenossen Beim Seitenblick auf den Erzrivalen Schweiz müssen die Österreicher zwangsläufig zu Neidgenossen werden. Das bärenstarke Schweizer Speedteam gibt gerade das Tempo vor und stellte in neun der letzten elf Weltcupabfahrten den Sieger. Auf der Saslong war am Samstag Weltmeister Franjo von Allmen vor Superstar Marco Odermatt der Schnellste. Was sich im Sog der Topläufer entwickelt, muss den Österreichern eigentlich aber fast noch mehr Angst und Bang’ machen: Rennen für Rennen tauchen da neue Gesichter an der Weltspitze auf, in Gröden raste Alessio Miggiano auf den fünften Platz. Wie Von Allmen und die anderen Senkrechtstarter reifte auch der 23-jährige Miggiano unter der Führung des früheren Abfahrtsweltmeisters Franz Heinzer heran, der im Europacup exzellente Entwicklungshilfe leistet. Die großen Unterschiede zwischen den beiden größten Ski-Nationen lassen sich auch an nackten Zahlen ablesen: Allein im gestrigen Rennen in Gröden holten die Schweizer mehr Punkte (276) als das ÖSV-Team in den ersten drei Saisonabfahrten (231). Im Abfahrtsweltcup steht es im direkten Duell 790:231. Fehlende Dichte Natürlich schmerzte im Grödnertal das Fehlen der beiden ÖSV-Hoffnungsträger Stefan Eichberger und Felix Hacker , es wäre aber viel zu billig, die Gründe für den Abwärtstrend in der Abfahrt nur in der Verletzungsmisere zu suchen. „Vielleicht war in den letzten zehn Jahren der Abfahrtssport im Skiverband nicht so wichtig, vor allem im Jugendbereich“, sinnierte Vincent Kriechmayr am Samstag im Zielraum der Saslong. „Dass dann die Speedfahrer nicht herausschießen wie die Schwammerl, ist klar.“ Kleine Erfolgsbilanz ÖSV-Alpinchef Christian Mitter ist derweil um Ruhe und eine nüchterne Betrachtungsweise bemüht. Der Steirer ist erst seit Frühjahr im Amt, eine gewisse Aufbruchstimmung ist spür- und in den Resultatslisten sichtbar. So hat das ÖSV-Team geschlechterübergreifend nach dem Erfolg von Cornelia Hütter in der Abfahrt von Val d’Isere schon gleich viele Weltcupsiege eingefahren wie im gesamten letzten Winter (5). „Das Wochenende in Gröden war schwierig, aber wir befinden uns in einem Prozess“, meinte Mitter. Das Abfahrtsteam ist und bleibt aber vorerst die größte Baustelle. „Wir müssen eine größere Dichte kriegen.“