Von Achim Schneyder Die Marktgemeinde Grafenegg , 28,54 Quadratkilometer groß, gelegen an der Grenze zwischen Wald- und Weinviertel im westlichen Tullnerfeld, und bekannt in erster Linie durch das gleichnamige Schloss , den Schlosspark und die dort stattfindenden Kultur-Events sowie den Adventmarkt , zählt rund 3.300 Einwohner. Und ein Wirtshaus . Und „ein“ ist nicht viel. Aber insofern ausreichend, als von sehr erfreulicher Qualität. Dieses Wirtshaus heißt „Gasthof Haag“ , befindet sich in Haitzendorf, einer der neun Ortschaften der Gemeinde und nur 15 Gehminuten vom Schloss entfernt, und ist kaum zu übersehen. Denn: Das Gebäude liegt direkt an der Hauptstraße, ist so groß wie eine alte Fabrik und außerdem zuckerlrosa angemalt. Als die Eltern der heutigen Betreiber Markus und Thomas Haag den Betrieb 1990 kauften, beherbergte das Wirtshaus noch ein Kino , einst das zweite Lichtspielhaus im gesamten Bundesland Niederösterreich überhaupt, eine Disco und eine Kegelbahn . „Die Kegelbahn gibt’s immer noch, die wurde inzwischen auch modernisiert und ist bestens ausgelastet“, erzählt Markus, der dieser Tage seinen 40er feiert. „Und in der einstigen Disco befindet sich heute unser Weinkeller, während das Kino inzwischen ein weiterer Speisesaal ist“, ergänzt der elf Monate jüngere Thomas. Koch und Kellner Brüder also. Der eine, Thomas, steht in der Küche , der andere, Markus, ist Serviceleiter und (geprüfter) Sommelier . In die Schule sind die beiden in Krems gegangen, lernten an der dortigen HLF für Koch und Kellner, ehe sich die Wege trennten, um Jahre später zu Hause wieder zusammenzuführen. In der Zwischenzeit verbrachte Thomas drei Jahre unter dem legendären Reinhard Gerer im „Korso“, ehe dieser ihn nach München ins „Tantris“ vermittelte, wo sich der junge Koch abermals drei Jahre unter dem nicht minder legendären Hans Haas weiterentwickeln durfte. Markus wiederum spezialisierte sich recht rasch auf Service und Organisation und arbeitete ebenfalls jeweils rund drei Jahre im „Loibnerhof“ der Familie Knoll und in der „Gastwirtschaft Floh“ in Langenlebarn – ausnahmslos allererste Adressen! Thomas kam als erster zurück, da der Vater aus gesundheitlichen Gründen nicht länger am Herd stehen konnte. Und als der Bruder folgte, kam’s schließlich zur endgültigen Übernahme der Söhne. Ein Wirtshaus für alle „Die Küche hab’ ich dann Schritt für Schritt ein wenig adaptiert und modernisiert, wobei wir immer ein Wirtshaus für alle sein wollten und sind. Für den Hackler , der zu Mittag aus zwei günstigen Menüs wählen kann, wie auch für den ausgewiesenen Feinschmecker , der sich am Abend vorweg gebratene Riesengarnelen auf Avocado und danach einen gebratenen Kalbsrücken mit getrüffeltem Erdäpfelpüree gönnt. Und es ist immer alles frisch und selbst zubereitet – eine ehrliche Küche also“, sagt Thomas. „Fertig sind bei uns nur die Pommes und die Kroketten.“ Hinterm Haus, dort, wo ab Frühjahr wieder der große Gastgarten samt Kinderspielplatz lockt und als Haustiere zwei Ziegenböcke herumspazieren und munter Gras und Blätter fressen, befinden sich Thomas’ Salat-, Gemüse- und Kräuterbeete . Auch hauseigene Marillenbäume tragen zum großen Ganzen bei, wobei man die Marillenmarmelade auch an Ort und Stelle käuflich erwerben kann. Achim Schneyder Zwei Ziegenböcke bewohnen als Haustiere den Garten. „Außerdem produzieren wir Liköre, andere Marmeladen als Marille sowie Honig . Alles zum Mitnehmen“, sagt Thomas, wie auch der Bruder verheiratet und ebenfalls Vater zweier Kinder. „Innerfamiliär funktioniert’s blendend bei uns“, sagt Markus, „man kann also durchaus von Bruderliebe sprechen.“ Also gar keine Unstimmigkeiten? „Die lassen sich an einer Hand abzählen. Pro Jahr wohlgemerkt… Und jetzt muss ich in den Keller, die neu gelieferten Weine nachschlichten.“ Tatsächlich ging’s nämlich ziemlich zu in der Vorweihnachtszeit, nicht zuletzt an den Sonntagen, an denen zu Mittag bis zu 300 Hauptspeisen die Küche verließen, oder im Zuge der zahlreichen abendlichen Weihnachtsfeiern in kleineren und größeren Runden. „Vor ein paar Tagen etwa war das Weingut Jurtschitsch mit seinen Mitarbeitern bei uns, und bei so Weihnachtsfeiern geht natürlich auch gern ein bisserl was weiter…“ Achim Schneyder Einer der Klassiker im „Haag“ sind die Grammelknödel. Die Weinkarte liest sich übrigens ziemlich österreichisch, wobei – der persönlichen Vorliebe des Sommeliers geschuldet – auch erstklassige deutsche Rieslinge und ein paar Franzosen zu finden sind. „Aber Österreich“, sagt Markus, „spielt natürlich die Hauptrolle, und da nicht zuletzt unsere Region. Schließlich leben wir Grafenegger in einem weinverwöhnten Dreiländereck: Wagram, Kremstal, Kamptal.“ In diesem Sinn: Prost, Mahlzeit und frohe Festtage.