Kurz vor Weihnachten herrscht Ausnahmezustand. Als würde die Welt alljährlich am 24. 12. untergehen. Warum unbedingt noch vor diesem Tag Freunde treffen, die man – sind wir uns ehrlich – den Rest des Jahres auch gemieden hat. Als hätte man das Geld abgeschafft, wird dem Konsumwahnsinn gefrönt, Tonnen von Lichterketten verhängen dort wie da Balkonien, all diese Phänomene kommen in der Großstadt noch viel mehr ans Tageslicht als auf dem Land. Ein paar Tage schnupperte ich neulich winterliche Bergluft bei Sonnenschein über der Nebelgrenze, um leider kurz darauf wieder in die städtische, graue, hektische Suppe abtauchen zu müssen. Entschleunigen Vorgestern wollte ich ganz bewusst ein bisschen entschleunigen, gegen den vorweihnachtlichen Strom schwimmen und mir einen Tag lang nur Gutes tun. Vor der Gesichtskosmetik hatte ich das Bedürfnis, auch die Wohnung einer Generalreinigung zu unterziehen. Drei Stunden später war ich schweißgebadet. Augenscheinlich hatte sich nichts verändert, obwohl ich mit dem Fetzen in jeder Fuge und jedem Winkel meiner vier Wände gewesen war. Das trübe halbdunkle Tageslicht hüllte mein Zuhause in ein fahles Grau, dass ich mir die Mühe auch sparen hätte können. Lediglich die nassen Flecken unter meinen Achseln erinnerten daran, dass ich geschuftet hatte. Eine Stunde Wohlfühlprogramm fürs Antlitz stand nun bevor. Mantel weg, ausgesperrt Als diese viel zu kurzen 60 Minuten vorbei waren, hatte ich ein paar grüne Scheine weniger im Tascherl und keine Jacke mehr an der Garderobe. Eine Dame aus dem Waldviertel war wohl versehentlich mit meinem Daunenmantel Richtung Heimat aufgebrochen. 30 Minuten später hatte ich meine Winterjacke wieder und einen Stress, weil noch Fußpflege … Etwas abgehetzt war auch die absolviert, schnell heim, Hunger! Denkste. Kein Schlüssel. Ausgesperrt. Gott Lob, eine Freundin hat einen Zweitschlüssel. Sie schickt ihn mit dem Taxi. Der Taxler findet nicht her. Bewegt sich in konzentrischen Kreisen um das Gebäude. Keine Zeit! Eine Thaimassage wartet! Nach 45 Minuten endlich in der Wohnung. Schnell eine Nudelsuppe. Es läutet. Ein fremder Mann steht draußen. Er sucht den Dominik. Der ist Fixkostenreduzierer. Den könnte ich auch gut gebrauchen, der wohnt hier aber nicht. Ich bemerke, dass das Internet nicht geht. Nach 20 Minuten Warteschleife erfahre ich, dass der Router defekt ist. Ich kippe die Suppe durchs Nudelsieb, schau mir die Nudeln im Topf an, beiße versehentlich von der Hundewurst ab und verschiebe die Massage. Dann setz ich mich hin, packe eine Lichterkette aus und schmücke in aller Ruhe meinen Balkon, während ich bemerke, dass in unmittelbarer Nachbarschaft bereits vier weitere solche Exemplare dazugekommen sind. Sind sie alle das Ergebnis eines gehetzten Dezembertages? Ich buche wieder ein paar Tage in den Bergen, wo die Milchstraße meinen Balkon zieren wird. Angelika Niedetzky ist Schauspielerin und Kabarettistin, derzeit mit ihrem fünften Soloprogramm „Der schönste Tag“ und mit den Comedy Hirten auf Tournee durch ganz Österreich.