Vor genau einem Jahr verließ Birgit Fenderl den ORF und machte sich selbstständig. KURIER: Sie waren 25 Jahre lang Anchorwoman, geht Ihnen der Bildschirm nicht ab? Birgit Fenderl: Meine letzte Fernsehsendung war vor einem Jahr. Der Bildschirm geht mir wirklich nicht ab. Er würde mir abgehen, wenn ich nicht moderieren würde, aber das tue ich ja weiterhin, unter anderem bei Business-Veranstaltungen. Der ORF hat mit Frauen über 50 am Bildschirm offenbar ein Problem. Es gab zuletzt einige prominente Abgänge. Haben Sie sich lieber was Neues gesucht, solange das Gesetz des Handelns noch bei Ihnen lag? Ja, das kann man schon so sagen. Ich konnte jahrelang beobachten, dass Frauen nicht als Moderatorinnen in Pension gehen. Verena Scheitz hat sich sagen lassen müssen, die Sendung soll „frischer“ werden. Das sind Gespräche, die man nicht unbedingt führen will. Warum haben Männer bis zur Pension Bildschirmpräsenz, Frauen aber nicht? Wobei es in Deutschland übrigens besser ist. Ein großes Thema – auch in meinem Podcast – ist, dass Frauen ab einem gewissen Alter sozusagen unsichtbar werden. Ich freue mich immer, wenn mir aus dem deutschen Fernsehen ältere Moderatorinnen entgegenschauen – auch einige kurz vor der Pension. Jetzt kommt das große Aber: Die großartige Schauspielerin Maria Furtwängler hat über ihre Stiftung anschauen lassen, wie es mit dem Geschlechterverhältnis in den audiovisuellen Medien steht. Und ab 50 geht die Schere auch in Deutschland ganz stark auseinander. Müssen die Frauen also mehr auf den Tisch hauen? Ganz unbedingt. Ich bin gerade massiv dabei. (lacht) kurier/Martina Berger Aber gibt es nicht ohnehin viel mehr Frauennetzwerke als früher und Frauenquoten, von denen sich junge Männer ausgegrenzt fühlen? Die Quote ist eine hässliche Krücke, aber wie soll man sonst schaffen, dass Frauen mehr repräsentiert werden? Haben Sie selbst Sexismus erlebt? Wenn ich zurückdenke an die Redaktionssitzungen zu Beginn: Ein sexistischer Witz hat den anderen gejagt, und das war vollkommen normal. Das ist definitiv nicht mehr so. Ich bin sehr jung Moderatorin geworden und habe natürlich schon blöde Bemerkungen gekriegt, wobei ich mich schon immer sehr verständlich ausgedrückt habe: „Mit mir nicht.“ Ich bin da nicht still, wenn so was passiert. Allerdings habe ich noch keinen Manager getroffen, der von der Schule mit den Worten angerufen wurde: „Sie arbeiten zu viel, Ihr Kind hat einen Vierer geschrieben.“ Der ORF steht auch selbst unter Beschuss. Dem ORF-Moderator Robert Kratky hat das so zugesetzt, dass er den Job verlassen hat. Haben Sie die steigenden Aggressionen gegen den ORF auch am eigenen Leib erlebt? Als ich in den Neunzigerjahren begonnen habe, als Moderatorin eine sichtbare Rolle einzunehmen, waren die Reaktionen noch meistens anerkennend. Zunehmend ist das anders geworden. Ich finde das sehr schade, dass der ORF und auch andere Qualitätsmedien nicht mehr respektiert werden. Das Öffentlichmachen der Gehaltsliste, was dem ORF aufgezwungen worden ist, ist nach innen und außen toxisch. Auch wenn man nicht annähernd so viel verdient wie die Mitarbeiter auf dieser Liste, muss man sich in seiner Freizeit dafür anpflaumen lassen. Das ist nicht witzig. Sie widmen sich jetzt mit Leidenschaft dem Thema Wechseljahre, haben auch einen Podcast „Von wegen Pause“ dazu. Verdient man damit auch Geld? Vom Podcasten zu leben wäre mein Wunsch ans Christkind. Das ist ein absolutes Herzensanliegen, weil ich absolut davon überzeugt bin, dass sich da noch einiges verändern muss. Ich gehe ab Februar auch live damit in das Wiener Kabarettlokal Kulisse. Ist der Wechseljahre-Hype nicht gefährlich? Es stempelt Frauen schon wieder zu schwierigen Arbeitnehmern: Zuerst haben sie Menstruationsbeschwerden, dann werden sie womöglich schwanger, und jetzt auch noch Wechselprobleme. Ist das nicht eine neue Betulichkeit? Ich kenne diese Diskussion und habe logischerweise eine ganz andere Meinung dazu. Es ist nicht betulich, wenn zwei Drittel der Frauen in dieser Phase massive Beschwerden haben. Das ist ein Faktum. Wenn es kein Bewusstsein dafür gibt, dann kann das ein Karrierekiller für Frauen sein. Viele Frauen flüchten sich in Kuren, ewige Krankenstände und dann vielleicht in Frühpension. Die Wirtschaft verliert dadurch Fachkräfte. In Großbritannien kommt nächstes Jahr ein Gesetz, wo Firmen verpflichtet werden, darauf Rücksicht zu nehmen, zum Beispiel mit flexibleren Arbeitszeiten. Das Thema bekommt auch wegen des steigenden Pensionsantrittsalters immer mehr Bedeutung. Ist das nicht eher ein medizinisches Thema? Es gibt doch Medikamente gegen Wechselbeschwerden.Aber es existieren kaum Informationen. Es gibt Ärztinnen, die mir erzählen, sie hätten selbst nicht gewusst, was da mit ihnen selbst passiert. Jeder, der mal eine Zeit lang schlecht geschlafen hat, um ein klassisches Symptom herzunehmen, weiß, wie es sich anfühlt, dann ins Büro zu gehen. Natürlich habe ich es selbst auch durchlebt: Ich habe jahrelang schlecht geschlafen, bin nicht nur einmal mit einer Wallung vor der Kamera gesessen und bin an Ärzte gekommen, die sich nicht ausgekannt haben. Diese Geschichten erzählen sehr viele Frauen. Aber man muss ja nicht leiden und mit homöopathischen Mittelchen rumdoktern. Es gibt eine Hormonersatztherapie. Wenn mir jemand erklärt hätte, dass diese Therapie nicht so gefährlich ist, wie sie durch eine längst revidierte Studie 2002 dargestellt wurde, hätte ich es schon früher genommen und nicht so lange gelitten. Da gibt es noch wahnsinnig viel Unwissen, womit wir beim Thema Gendermedizin sind. Es gibt immer weniger Hormonambulanzen, die Kassen zahlen kaum, wodurch man fast gezwungen ist, zu Privatärzten zu gehen. Themenwechsel: Sie waren im ORF-Moderationsteam für royale Großevents. Warum? Ich bin durch Zufall dazugekommen, weil ich etwas Neues machen wollte. Ich weiß inzwischen natürlich einiges, bin aber nach wie vor nicht die große royale Expertin. Wir haben zum Beispiel die Queen zehn Stunden lang begraben: Das war sozusagen mein kleiner Marathon. Können Sie die Faszination dieser Geschichten nachvollziehen? Ja – gerade jetzt, wo wir umgeben sind von lauter schrecklichen Meldungen. Es sind prachtvolle Bilder, es sind Schlösser, die uns an die Vergangenheit erinnern und schöne, teuer angezogene Menschen, und es gibt Tratsch. Es ist einfach Unterhaltung. Schwingt da nicht vielleicht auch mit, dass Mädchen wieder Prinzessinnen werden wollen? Das glaube ich nicht. Wenn man das Korsett der jungen Royals anschaut, dann ist das eigentlich ein grauenhaftes Leben. kurier/Martina Berger