Innenminister Gerhard Karner: "Ich halte das für schäbig"

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) über die Asyllage, die Causa Pilnacek und was er sich zu Weihnachten wünscht. KURIER: Sie haben sich beim Gewaltschutzgipfel vor zwei Wochen ausdrücklich bei Alma Zadić und Johannes Rauch bedankt. Vermissen Sie die Grünen manchmal? Gerhard Karner: Auch bei Susanne Raab! Aber was es wiegt, das hat’s. Faktum ist, dass in der vorigen Regierung mit den Grünen viel gelungen ist im Gewaltschutz – und das soll man auch ansprechen. Wir haben jetzt ein solides Fundament, auf dem der Nationale Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen federführend von der SPÖ-Frauenministerin abgearbeitet werden kann. Die SPÖ hätte im Aktionsplan gern das Prinzip „Nur Ja heißt Ja“ im Sexualstrafrecht paktiert. Was denken Sie darüber? Das wird im Bereich Justiz verhandelt, ich habe das nicht von außen zu kommentieren. Die Position der ÖVP ist klar. Und die lautet? Dass dieser Satz so nicht im Regierungsprogramm steht. Wie ist die Stimmung in der Koalition? Für Bilanzen wird man selten belobigt, aber unsere kann sich sehen lassen. Wir haben in meinem Bereich die Gefährderüberwachung, den Stopp des Familiennachzugs, das Waffengesetz und mehr umgesetzt. Darüber hinaus das sogenannte Billigstromgesetz oder das Kopftuchverbot – damit hätte lange Zeit niemand gerechnet. Wenn wir konsequent weiterarbeiten, dann wird diese Regierung erfolgreich sein. Sie sind jetzt seit genau vier Jahren im Amt. Wie hat sich die Asyl-Lage verändert? Vor vier Jahren beim Treffen der EU-Innenminister Österreich mit Dänemark noch Einzelkämpfer, jetzt sind wir Teil eines Teams, das gemeinsam den EU-Asylpakt beschlossen hat. Die Migrationswende wird jetzt umgesetzt. Mit Stand November gab es in Österreich 15.337 Asylanträge, im Jahr 2021 waren es in Summe 40.000. Sind wir aus dem Gröbsten heraus? Die Zahl ist mir immer noch zu hoch. Wobei man sagen muss: Fast zwei Drittel sind keine originären Anträge, sondern von Menschen, die schon da sind und daher das Unterbringungssystem nicht zusätzlich belasten. Von den 35 Betreuungseinrichtungen des Bundes sind nur noch acht in Betrieb, in Traiskirchen sind derzeit 400 Personen. Das ist eine richtige Entwicklung. Die Zahl kann wieder steigen, Migration ist von globalen Entwicklungen abhängig. Deshalb der EU-Asylpakt, um die niedrigen Zahlen nachhaltig abzusichern. Warum schaffen Sie es mit Ihrer Asylpolitik nicht, der FPÖ das Wasser abzugraben? Sie hat auch bei der letzten Wahl weiter zugelegt. Herbert Kickl hat sich geweigert, Verantwortung zu übernehmen, stattdessen schimpft er im Parlament auf andere. Das ist seine Art, Politik zu machen. Unsere ist, hart zu arbeiten und nicht, jemandem das Wasser abzugraben. Haben Sie sich schon einmal gefragt: Wieso schafft es Kickl, mit seinen Botschaften bei den Menschen durchzudringen, während andere tatsächlich den Job machen und Maßnahmen umsetzen? Es ist irgendwie hip, Regierungen zu kritisieren, wir sehen das auf der ganzen Welt. Aber es nutzt nichts: Ein Landwirt muss hinaus aufs Feld, auch wenn es noch so regnet und stürmt. Genauso muss diese Regierung arbeiten. APA/BMI/REISER Im April war Karner mit der damaligen deutschen Kollegin Nancy Faeser beim syrischen Innenminister Anas Khattab in Damaskus, im Juli konnte der erste Syrer abgeschoben werden. Zum Asylpakt: Geplant sind „Return Hubs“ in Ländern wie Uganda. Wie weit sind die Pläne gediehen? Die Niederlande haben eine Absichtserklärung mit Uganda unterzeichnet. Österreich könnte, nachdem unsere Außenministerin auch dort war, ein Teil davon sein. Sobald der rechtliche Rahmen in Form des EU-Asylpakts da ist, können wir in konkrete Gespräche gehen. Wie muss man sich so einen „Return Hub“ vorstellen? Es gibt zwei Varianten, ich bin für beide offen: In einem Rückkehrzentrum sind abgelehnte Asylwerber, die nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden können. In einem Asylverfahrenszentrum werden Asylverfahren bereits außerhalb der EU durchgeführt. Das ist das Modell, das Italien mit Albanien hat. Wie viele Menschen sollen dort untergebracht sein? Ich werde hier keine Zahlen nennen. Jeder verurteilte Straftäter, der abgeschoben wird und jedes Asylverfahren, das außerhalb der EU geführt wird, ist gut – weil der Druck weniger wird. Die Schleppermafia lässt sich mittlerweile das Zehnfache zahlen, weil es durch die Kontrollen immer schwieriger geworden ist. Sie verspricht den Menschen: Wir bringen dich nach Europa, dann hast du gewonnen. Diese Erzählung müssen wir zerstören. SPÖ-Justizministerin Anna Sporrer hat Bedenken, ob in Uganda menschenwürdige Bedingungen herrschen können. Sie sagt, es kommt nur ein Land infrage, das Mitglied des Europarates ist. Neuseeland ist auch nicht im Europarat, und soweit ich weiß, gelten dort auch menschenrechtliche Standards. Experten hielten es für effektiver, wenn wir mehr Abkommen zur Rücknahme von abgelehnten Asylwerbern hätten. Diese Abkommen können wertlos sein, wenn sie von Behörden boykottiert werden. Entscheidend ist, dass es eine Gesprächsbasis gibt. Ich hatte heuer in Damaskus ein vernünftiges Gespräch mit dem syrischen Innenminister, der sagt: Syrien ist sicherer, als viele glauben und manche glauben wollen. Es ist uns gelungen, Heimreisezertifikate zu bekommen, seither können wir nach Syrien abschieben. Was bekommen die Syrer und die Afghanen dafür? Mit Syrien und dem Nachbarland Jordanien haben wir vereinbart, bei der Ausbildung von Polizisten zu unterstützen. Mit Afghanistan gab es Gespräche auf technischer Ebene. Die Behörden haben durchaus ein Interesse daran, dass ihre Staatsbürger zurückkehren. Warum sollten die einen Straftäter zurücknehmen? Sie sagen, sie bekennen sich zu ihrer Verantwortung. Wirklich? Ist es nur das? Das müssen Sie die Behörden in Afghanistan fragen. Im Jänner beginnen die Befragungen im U-Ausschuss zur Causa Pilnacek. Es gibt Vorwürfe zu „Schlampereien“ bei der Polizeiarbeit. Die Polizei genießt laut Vertrauensindex das allerhöchste Vertrauen von allen Institutionen. Das ist nicht grundlos so. Jede einzelne Polizistin, jeder einzelne Polizist leistet exzellente Arbeit. Was macht Sie so sicher, dass alles lege artis abgelaufen ist? Ich habe höchstes Vertrauen in die Arbeit unserer Polizei, auch in diesem Fall. Können Sie sich erklären, warum die Smartwatch, die man ja – im Gegensatz zum Handy – sichergestellt hat, nicht ordentlich ausgewertet wurde? IT-Experten der Justiz haben später schon etwas gefunden. Ich habe höchstes Vertrauen in die Arbeit unserer Polizei, auch in diesem Fall. Im U-Ausschuss wird man Ihnen diese Frage auch stellen. Das ist die Aufgabe eines U-Ausschusses. Soll man Fehler ansprechen, wenn sie passieren? Jeder Einsatz wird kritisch hinterfragt. Aber ich lasse mir die Arbeit unserer Polizei nicht schlecht reden, nur weil jemand parteipolitisch den Innenminister anpatzen will. Ich halte das für schäbig. Was steht nächstes Jahr auf dem Programm? Der EU-Asylpakt muss bis Mitte des Jahres national umgesetzt werden, und dann gibt es Möglichkeiten: Beispielsweise, dass wir bei den Leistungen für Asylwerber Abstufungen machen, wenn jemand seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt. Wäre es im Zuge dessen nicht praktischer, wenn man die Grundversorgung bundesweit vereinheitlicht? Bei der Sachleistungskarte sind viele unserem Bundesmodell gefolgt. Aber es ist legitim, dass die Länder unterschiedliche Ansätze wählen. Was ist Ihr Weihnachtswunsch? Es wäre schön, wenn es am 24. schneit. Weiße Weihnachten wären schön.