Wenn Europa die starke Frau spielt

Wer den Schaden hat, braucht sich bekanntermaßen um den Spott nicht zu sorgen. Eine Erfahrung, die die EU-Spitze in den vergangenen Tagen nicht zum ersten Mal gemacht hat – allerdings war es diesmal besonders schmerzhaft. Kaum hatte man frühmorgens am Freitag in Brüssel eine Lösung grob zusammengezimmert, um die Ukraine finanziell über Wasser zu halten, stimmte schon der Chor der EU-Untergangspropheten sein Lieblingslied an. Der Kontinent sei auf dem Weg aufs Abstellgleis, habe weltpolitisch nur die teure Drecksarbeit für die USA und China zu verrichten und werde zugleich von den beiden rivalisierenden Supermächten überrollt. Mit solchem simpel gestrickten Pauschal-Pessimismus bedient man leider nur die EU-Feindlichkeit diverser Rechtspopulisten. Um die Fehler zu analysieren, die sich die EU gerade im vergangenen Jahr geleistet hat, muss man doch ein bisschen näher hinschauen – am besten auf jene Figuren, die in Europa derzeit um den Führungsanspruch buhlen, und sich dabei wohl ein bisschen überhoben haben. Das ist zuallererst Kommissionschefin Ursula von der Leyen . Die hat sich eine Kommission gebastelt, die vor allem die Aufgabe hatte, nach ihrer Pfeife zu tanzen. Und weil in Zeiten von Donald Trump das schnelle Spucken großer Töne zum weltpolitischen Standard geworden ist, blies auch die Kommissionschefin ordentlich in ihre Pfeife. Ohnehin eine Meisterin der pompösen Schlagworte, trommelte sie die bedingungslose Unterstützung Europas für die Ukraine – ohne auch nur im Ansatz zu wissen, wohin diese Unterstützung das überfallene Land bringen sollte. Die Idee, Russlands eingefrorene Milliarden für die Ukraine zu verwenden, war zwar moralisch ansprechend, aber so schlecht durchdacht, dass das kleine Belgien mit seinen Einwänden zuletzt recht behielt. Während also Von der Leyen sichtlich ungeschickt die starke Frau mimte, meinten zwei weitere europäische Schwergewichte, dass man die politische Schwäche zuhause am besten mit ganz viel Weltpolitik übertüncht: Zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron , der ohnehin ständig die Napoleon-Pose auf der Weltbühne einnimmt, gesellte sich der deutsche Kanzler Friedrich Merz , dem ebenso der Führungsanspruch in Europa einschoss, ohne sich zu überlegen, wohin er denn eigentlich führen wollte. Das Ergebnis ist entsprechend: Die drei haben sich ein blaues Auge geholt, und Europa muss in die Kasse greifen. Die Stärke der EU war immer besonnenes Agieren nach den Spielregeln der Rechtsstaatlichkeit. Nur damit kann man gegen Trump und Putin bestehen, nicht indem man deren Kraftmeiereien nachzuahmen versucht. Das braucht zwar mehr Geduld und Beharrlichkeit, doch genau die sollte man in Brüssel eigentlich haben.