ÖAMTC-Präsident Ludvik: „Einheitliche Einfahrtsregeln in Städten“

Der von den Delegierten als Kompromisskandidat zum quasi Aufsichtsratschef des ÖAMTC gewählte Anwalt will die Zahl der Mitglieder noch steigern und die Dienstleistungen weiter verbessern. KURIER: Sie sind seit 27 Jahren Delegierter, was fasziniert Sie so am ÖAMTC? Markus Ludvik: Ich war immer schon gerne automechanisch unterwegs und habe meine Autos selbst repariert. Nach der ersten Panne wurde ich ÖAMTC-Mitglied. Als ich dann meine Rechtsanwaltsprüfung hatte, las ich im ÖAMTC-Journal, dass Delegierte gesucht würden, und habe mich vorgestellt. Ich wurde als einer von 70, 80 Delegierten gewählt. Nach wenigen Jahren habe ich jeden Mittwoch die Rechtsberatung in Baden für die Mitglieder begonnen. Da kriegt man natürlich viel mit. Die Delegierten treffen einander regelmäßig zu Versammlungen, und so bildet sich über die Jahrzehnte eine gelbe DNA heraus. Setzen Sie als Präsident die Rechtsberatung fort? Das war immer ehrenamtlich, ich höre jetzt nach 25 Jahren auf damit. Die Beratung wird aber fortgeführt. Diese niederschwellige Dienstleistung ist ganz besonders wichtig, vor allem für sozial Schwache, die keine Rechtsschutzversicherung haben und nicht wissen, an wen sie sich zuerst wenden sollen. Was sind die häufigsten Probleme? Das reicht vom kleinen Verkehrsunfall und Strafmandaten über die Probleme älterer Menschen im Straßenverkehr, vom Führerscheinentzug bis zu Schadenersatzansprüchen nach Unfällen. Im Präsidium, dem quasi Aufsichtsrat, gab es wilde Grabenkämpfe. Sie wurden als Kompromisskandidat gewählt, kehrt jetzt Weihnachtsfriede ein? Das ist nicht nur ein Weihnachtsfriede, sondern eine wirklich gute Neuorientierung. Wir sind die größte Vereinigung Österreichs mit über 2,6 Millionen Mitgliedern, da kann es natürlich zu Meinungsdifferenzen kommen. Aber wichtig ist, dass und wie man sie löst. Das Präsidium hat zueinander gefunden, die letzte Generalversammlung war sehr harmonisch. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir diesen positiven Schub, diese Energie, weiter in die nächste Zeit tragen können. kurier/Martin Winkler Ludvik beim KURIER-Interview mit Andrea Hodoschek. Wie haben Sie den Richtungsstreit Zentralismus versus Föderalismus gelöst? Das war nicht das große Thema. Das wirkliche Problem war, dass man Ideen hatte, die zu schnell, zu laut ausgesprochen wurden und vielleicht Leute überrumpelt hat, wie das auch im normalen Leben so ist. Und dann kann es zu Verletzungen kommen. Ich bin schon von meinem Beruf her immer konsens- und lösungsorientiert. Und weil Sie den Föderalismus angesprochen haben, das ist natürlich eine Herausforderung, andererseits aber eine große Chance. Jedes Bundesland hat schon von der Geografie andere Ansprüche in der Mobilität. Sie können Wien nicht mit Vorarlberg vergleichen. Der Föderalismus ist hier sicherlich ein großer Vorteil. Er kann aber eine Organisation stark verteuern und die Effizienz drücken. Ja, aber ich glaube, dass für uns Föderalismus eindeutig vorteilhaft ist. In Wien wird jemand im Notfall von der Rettung abgeholt, sobald es gebirgig wird, braucht es den Hubschrauber. Es gibt keine Konkurrenz zwischen den Landesvereinen, wir haben ganz genaue Aufgaben und diese werden gut koordiniert. Wie ist der ÖAMTC wirtschaftlich aufgestellt? Die Organisation ist ein ziemlich unübersichtliches Geflecht aus Vereinen und GmbHs. Wir stehen mehr als stabil da. Wir haben aber keine Konzernbilanz, bei Vereinen gibt es keine Konsolidierung. Viele Aktivitäten sind in Gesellschaften, an denen alle Landesorganisationen beteiligt sind. Sie haben schon recht, dass es eine Menge an Gesellschaften gibt, aber wir sind auch sehr vielfältig und breit. Man findet selten eine Organisation, die ein Reisebüro, Flugrettung, Pannenhilfe, Versicherungsvermittlung, einen Verlag hat und so weiter. Wo soll der ÖAMTC mittelfristig hin? Was  sind denn Ihre Ziele? Eine stabile Mitglieder-Entwicklung und die Verbesserung der Dienstleistungen auf ein noch höheres Niveau. Wir sind ein Mobilitätsverein und schon lange kein Autofahrerklub mehr. Wir betreuen auch Radfahrer. Elektrofahrräder sind nicht ungefährlich, da bieten wir sogar Kurse an. Wir haben dauernd neue Aufgaben. Es geht auch um einheitliche Regeln. Wo zum Beispiel? In der 36. Straßenverkehrsnovelle sollen Kameras für Ein- und Ausfahrten ermöglicht werden. Es ist zu befürchten, dass jede Stadt andere Regeln einführt. Es muss für den einzelnen Verkehrsteilnehmer klar sein, auf was er sich einlässt, wenn er in die Stadt hineinfährt. Es kann nicht sein, dass in Klagenfurt andere Regeln gelten als für Salzburg oder Wien. E-Autos sind weniger reparaturanfällig, das bedeutet doch weniger Geschäft? Ich glaube, da wird sich nicht wahnsinnig viel ändern. Was damals der Keilriemen war, ist heute irgendein elektronischer Defekt. Da haben wir viel Expertise und bieten seit Jahren hochelektronische Prüfmethoden. Wie viel Restlaufzeit hat diese Batterie, wie löse ich Programmfehler? Grundsätzlich ist es schon richtig, ein Elektro-Fahrzeug ist technisch viel einfacher aufgebaut. Aber wir haben rund um die Elektromobilität neue Dienstleistungen begonnen, das betrifft nicht nur die Panne. Wir versuchen, E-Mobilität zu unterstützen so gut es geht, z. B. bei Infrastruktur oder Tarifen.  Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, dürfen wir aber den Bestand nicht vergessen.  Man kann  ja nicht einfach allen Menschen verordnen, ihr Fahrzeug frühzeitig zu tauschen. Es geht auch um die regionale Sinnhaftigkeit. In Wien tue ich mir mit einem Elektroauto nicht so schwer, aber wenn ich in einer Gebirgsregion wohne, wo ich beim Rauffahren zuschauen kann, wie die Prozente runtergehen, wenn ich die Heizung einschalte, dann wird es schwierig. Wie sehen Sie die Reform des Pickerls? Der ÖAMTC fordert immer Kostensenkungen für die Autofahrer und Bürokratie-Abbau ein. Jetzt trifft es aber ihr Geschäft. Wir analysieren das Thema ganz genau, einfach im Sinne der Verkehrssicherheit. Aus meiner Erfahrung am Stützpunkt weiß ich, dass bei intensiver Nutzung oft nach zwei Jahren keine Pickerlwürdigkeit mehr vorliegt. Ab 30.000 bis 40.000 Kilometer Jahresleistung wäre es sinnvoller, zwischendurch eine Überprüfung zu machen und nicht erst nach vier Jahren. Sollte man nicht endlich das Pickerl digitalisieren? Das ist unser jahrelanges Anliegen, das wäre wirklich ein Bürokratie-Abbau. Die Plaketten werden regelmäßig beschädigt, da gibt es immer wieder Geldstrafen. Aber das große Problem ist der unglaubliche Verwaltungsaufwand in den Bezirkshauptmannschaften und Werkstätten. Das alles würde bei einem elektronischen Pickerl wegfallen, wie die Mautvignette der Asfinag. Technisch ginge das schon längst, es gibt seit Jahren eine zentrale Begutachtungsdatenbank. Der ÖAMTC gibt für seine Mitglieder kostenlos „auto touring“ heraus, das auflagenstärkste Magazin des Landes. Können Sie sich die Print-Ausgabe noch weiterhin leisten? Ja, wir haben eine Reichweite von über 27 Prozent und 2,1 Millionen Leser. Wir finanzieren das Magazin aus unseren Mitgliedsbeiträgen und aus Inseraten. Uns brechen bei den Inseraten nicht die Erträge weg. Wir digitalisieren konsequent, aber haben noch nicht die Intensität anderer Medien. Wir werden mit dem neuen Team noch mehr digitale Elemente einbauen. Direktor Ernst Kloboucnik geht im Juni 2027 in Pension, wann starten Sie die Nachfolge-Suche? Im Herbst 2026 beginnt die intensive Phase, mithilfe eines Headhunters.