Mit deutlich unter 100 Straftaten sprach die Polizei heuer von einem besonders "friedvollen" Frequency und einem "disziplinierten Publikum". Zumindest eine Person wird das anders sehen. Für eine 23-jährige Studentin aus Niederösterreich sollte es ein unvergessliches Musikfestival mit Freunden werden. Geendet hat es jedoch in einem nächtlichen Martyrium im Zelt. Hämatome auf den Schenkeln und Verletzungen im Intimbereich lassen auf einen tätlichen Übergriff schließen. Umso größer war das Entsetzen bei der 23-Jährigen, als ihre Anzeige wegen Vergewaltigung bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten und dem Justizministerium kein Gehör fand und abgeschmettert wurde. Fall soll vor Gericht Der Fall hat nun die Wiener Rechtsanwältin Alexia Stuefer auf den Plan gerufen. Mit einem Fortführungsantrag will die Juristin den Fall vor Gericht bringen und damit verhindern, "dass ein Opfer ungehört bleibt". Was ist geschehen? Die Studentin aus Niederösterreich hatte auf einem Musikfestival in Salzburg einen gleichaltrigen Steirer kennengelernt. Der junge Mann besuchte die 23-Jährige im Juli in Wien, man verstand sich auf Anhieb sehr gut. Aus einem losen Chat-Kontakt heraus verabredete man sich für das Frequency-Festival im vergangenen August in St. Pölten. Was folgte, war eine böse Überraschung: "Die Stimmung war von Anfang an sehr ungut und S. verhielt sich ganz anders als zuvor", heißt es im Polizeiakt. Man schlief am Festivalgelände in zwei getrennten Zelten. In der Nacht zum 14. August eskalierte die Lage. Nach einem Tag mit reichlich Party, Musik und jeder Menge Alkohol kroch der 23-Jährige gegen 4 Uhr Früh stark betrunken ins Zelt der Studentin. "Er drehte sich von mir weg und ich umarmte ihn von hinten", gab die 23-Jährige später bei der Einvernahme zu Protokoll. Aus Zärtlichkeiten wurde schnell mehr. "Er legte sich auf mich und begann mich zu würgen. Weil er am Festival so gemein zu mir war, wollte ich eigentlich keinen Sex mit ihm", so die 23-Jährige. Tage zuvor hatte sie schon daran gedacht und Kondome zum Schutz mitgenommen. APA/FLORIAN WIESER Das Frequency Festival in St. Pölten Als er ihr die Hose auszog, hielt sie ihn nicht davon ab, weil sie "Angst hatte". "Generell bin ich in solchen Momenten erstarrt und überfordert", so die Aussage der jungen Frau. "Er drückte meine Beine auseinander" Sie versuchte aber durch das Zusammendrücken ihrer Beine, ihn davon abzuhalten. "Aber er drückte sie wieder auseinander, das tat sehr weh", sprach die Frau von Gewaltanwendung. "Dies als einvernehmliche Handlungen zu qualifizieren, ist schlichtweg gesetzesfremd und widerspricht den Denkgesetzen", kritisiert Stuefer die zuständige Staatsanwältin. ZVG Hämatome an den Oberschenkeln der 23-Jährigen Damit er aufhörte, täuschte die Studentin einen Orgasmus vor, sagte sie aus. Doch der 23-Jährige soll weiter gemacht haben. "12 Mal" zählte die geschockte Frau mit. "Ich sagte ihm, dass es wehtun würde und er solle aufhören", steht im Polizeiakt. Aber das nutzte nichts. Auf die Frage der Ermittler, ob es denn erkennbar für den 23-Jährigen war, dass sie keinen Sex mit ihm wollte, antwortete die Studentin: "Ich glaube schon, aber es dürfte ihm egal gewesen sein." Die Staatsanwaltschaft St. Pölten sieht in den Handlungen und dem Abwehrverhalten jedenfalls keinen Hinweis auf eine Vergewaltigung. "Schon nach den Schilderungen des Opfers kann kein Gewalt-/Drohelement festgemacht werden", heißt es in der Einstellungsbegründung. Justizirrtum? Stuefer spricht von einer völligen Fehleinschätzung. Auch die "deliktstypischen und objektivierten Verletzungsfolgen", die bei der Untersuchung im Krankenhaus und von der Kriminalpolizei festgestellt und dokumentiert wurden, werden von der Staatsanwaltschaft völlig außer Acht gelassen, beklagt die Juristin. Was für sie besonders ins Gewicht fällt, ist, dass auch die Fachaufsicht nicht reagiert. "Das Ministerium wurde selbstredend umgehend informiert, auf eine Reaktion wartete meine Mandantin vergeblich. Was bringt der Ruf nach einer Änderung des Sexualstrafrechtes, wenn das geltende Gesetz – selbst angesichts solcher Verdachtslagen – nicht umgesetzt wird?", meint Stuefer . ZVG Verletzungen der 23-Jährigen wurden dokumentiert Opfer leidet an Autismus Was dem Fall zusätzliche Brisanz verleiht: Die Studentin leidet an einer Autismus-Spektrum-Störung . ASS ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die sich unter anderem darin äußert, dass Betroffene Schwierigkeiten beim Aufbau und Verständnis von Beziehungen, Blickkontakt und nonverbaler Kommunikation haben. "Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit verstärkt die Bereitschaft, sich anzupassen und den Erwartungen anderer nachzukommen", erklärt die Klinische Psychologin Pia Imre. Erhöhtes Risiko für Übergriffe Deshalb sollte unbedingt in rechtlichen Verfahren "der besondere Schutzbedarf von Frauen im Autismus-Spektrum berücksichtigt werden. Sie stellen eine Vulnerabilität dar, die mit einem erhöhten Risiko für sexuelle Ausbeutung und Übergriffe verbunden ist", sagt Imre.