Üppige Mahlzeiten, süße Getränke, Kekse und Alkohol gehören für viele Menschen zu den Weihnachtsfeiertagen dazu. Das führt nicht selten dazu, dass man deutlich mehr zulangt als nötig und in weiterer Folge zu einem Völlegefühl, Unwohlsein oder Verdauungsbeschwerden. Für Menschen mit Diabetes kommt jedoch noch ein zusätzlicher Faktor hinzu: Sie müssen den Blutzuckerspiegel angepasst daran, was sie essen und trinken, aktiv regulieren. „Ein Gesunder muss sich darüber keine Gedanken machen, weil sein Körper die Zufuhr von Kohlenhydraten und Zucker mithilfe der Bauchspeicheldrüse automatisch so verarbeiten kann, dass der Zuckerspiegel nicht über die Norm ansteigt. Die meisten Menschen mit Diabetes sind zwar gut geschult, aber je mehr Kohlenhydrate und Zucker auf einmal zugeführt werden, desto schwieriger ist es, das entsprechend zu steuern“, sagt Peter Fasching , Vorstand der 5. Medizinischen Abteilung mit Endokrinologie, Rheumatologie und Akutgeriatrie an der Klinik Ottakring in Wien. Typ-1- versus Typ-2-Diabetes Zu den Feiertagen müssen Menschen mit Diabetes daher besonders auf ihre Nahrungsaufnahme achten. Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, bei der der Blutzuckerspiegel dauerhaft erhöht sein kann, weil das Hormon Insulin fehlt oder nicht richtig wirkt. Unterschieden wird zwischen Typ-1-Diabetes, einer Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstört, und Typ-2-Diabetes. Letzterer entsteht meist schleichend durch Insulinresistenz, oft begünstigt durch Übergewicht, Bewegungsmangel und genetische Faktoren. Der Körper produziert zunächst noch Insulin, kann es aber nicht mehr ausreichend nutzen. Menschen mit Typ-1-Diabetes produzieren kein Insulin mehr und müssen es lebenslang spritzen. Bei Typ-2-Diabetes reicht die Therapie von Lebensstiländerungen über Medikamente bis ebenfalls Insulingaben. Vorsicht bei gesüßten Getränken Besonders ungünstig für Menschen mit Diabetes jeglicher Form sind Speisen und auch Getränke, die große Mengen an freiem Zucker, also Glukose, Fruktose oder Haushaltszucker, enthalten. „Diese Zuckermoleküle gelangen quasi sofort und ungebremst ins Blut und werden nicht mehr über den Darm zerlegt. Daher kann es zu hohen Glukoseauslenkungen im Blut kommen. Das heißt, man sollte vor allem süße Getränke, zur Weihnachtszeit etwa Punschgetränke mit und ohne Alkohol und Glühwein, der meist stark gezuckert ist, eher meiden“, rät Fasching. Konsumiert man dennoch gerne gezuckerte Getränke oder greift übermäßig beim Keksteller zu, sollte man darauf achten, ausreichend ungezuckerte Flüssigkeit, etwa Wasser, nachzutrinken, um einerseits Durst auszugleichen, aber auch um den Zucker zu verdünnen. Dürfen Menschen mit Diabetes zu Zuckerersatzstoffen greifen? Fasching: „Das ist besonders wichtig für jene, die bei Typ-2-Diabetes sogenannte SGLT-2-Inhibitoren einnehmen. Diese Medikamente sind sehr verbreitet und fördern die Zuckerausscheidung im Harn, wodurch der Blutzucker gesenkt wird. Wenn der Zucker gewisse Schwellen überschreitet, kann es zu einem Flüssigkeitsmangel kommen.“ Alkoholische Getränke ohne Zucker wie klare Spirituosen oder trockener Wein wirken zwar nicht direkt auf den Zuckerspiegel, aber können die Zuckerproduktion in der Leber unterdrücken, vor allem bei insulinpflichtigen Personen. Die Leber reguliert den Blutzuckerspiegel, indem sie Zucker speichert und bei Bedarf wieder ins Blut abgibt. Bei Diabetes ist diese Steuerung gestört, und Alkohol kann die Zuckerfreisetzung in der Leber hemmen, was Unterzuckerungen bis hin zu Bewusstlosigkeit begünstigt. Dies tritt allerdings nur selten auf, sagt Fasching. Eine mögliche Alternative für Zucker, die aber dennoch süßen Geschmack ermöglicht, sind Zuckerersatzstoffe. Sie sind laut Fasching medizinisch auch mit Diabetes kein Problem, solange die Aufnahme in Maßen erfolgt. Dazu zählen etwa Birkenzucker (Xylit), Erythrit oder Sorbit. Sie beeinflussen den Blutzucker kaum oder gar nicht, große Mengen können aber – je nach Ersatzstoff – Verdauungsbeschwerden verursachen. Blutzucker steigt längerfristig an Relativ neu ist, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes sogenannte GLP-1-Rezeptoragonisten zur Behandlung einnehmen, bekannt geworden, z. B. unter dem Handelsnamen Ozempic und im Volksmund als „Abnehmspritzen“. Sie senken nicht nur den Blutzucker, sondern dämpfen auch das Hungergefühl und machen schneller satt. Dadurch ist ein häufiger Nebeneffekt der Therapie, dass Menschen mit Diabetes abnehmen. Viele, die das Medikament einnehmen, berichten zudem, keine Lust auf Alkohol zu haben oder ihren Alkoholkonsum deutlich verringert zu haben. Das wirkt nicht nur positiv auf den Blutzucker, sondern auch auf Übergewicht. Zu akuten Notfällen aufgrund von Blutzuckerentgleisungen kommt es während der Feiertage nicht häufiger als im restlichen Jahr, so Fasching. Auffällig sei jedoch oft ein Anstieg der Langzeitblutzuckerwerte (HbA1c), der bei Kontrollen im Jänner sichtbar werde. Übermäßiger Konsum fett- und zuckerhaltiger Speisen und Getränke zur Weihnachtszeit können sich also längerfristig in den Messwerten widerspiegeln. Der Rat des Experten fällt daher pragmatisch aus: „Die Weihnachtszeit ist zeitlich begrenzt. Wer bewusst genießt, Zuckerfallen kennt, ausreichend trinkt und den Blutzucker öfter kontrolliert, kann die Feiertage mit Diabetes gut verbringen“, so Fasching.