Sie Also sprach die Paartherapeutin: „An Liebe mangelt’s bei Euch nicht, auch nicht an Kommunikation.“ Als sie das sagte, umspielte ein leises Lächeln ihre Lippen. Berufsbedingte Gelassenheit oder milde Verzweiflung – man weiß es nicht. Denn der Mann gegenüber und ich sind keine Schweiger, wir sind Dauerredner mit Sendungsbewusstsein. Wir reden nicht, wir arbeiten uns aneinander ab. So lange, bis jemand fragt, ob wir ein Paar sind oder ein Diskussionsformat . Aber! Wo er lange Thesen zu meiner angeblichen Unfähigkeit, ihn so anzunehmen, wie er ist, formuliert („Vielleicht hat das ja was mit deiner Milbenallergie zu tun …“), grätsche ich ihm mit einem „Aber“ rein. Dann sagt er: Immer musst du das letzte Wort haben. Und ich: „Aber du auch.“ Tja. Vor Kurzem kam mir der revolutionäre Gedanke, dass weniger Kommunikation mehr Frieden bringen könnte. Zumindest auf WhatsApp . Als ich vorschlug, uns dort etwas kürzer zu halten, war Herzkönig knapp dran, mir einen Heiligenschein zu verleihen. Traumatisiert von meinen elaborierten Textnachrichten, an deren (vermeintlichem) Ende zuverlässig stand: … mehr lesen . Also übte ich mich in Kürze und tippte: „Falls spontan Zeit/Lust: Treffen ca. 17.45, Weihnachtsmarkt, 1 Punsch. Oder 2. Kein Zwang. Erwarte FB bis 14 h.“ Seine Antwort: Meeting . Ein Wort. Ein Rätsel. Eine Projektionsfläche. Meeting jetzt? Meeting dann? Meeting als Code für Ich-bin-noch-da-aber-emotional-schon-bei-der- Championsleague ? Ich kam zum Schluss: Wir reden oft, um Recht zu behalten. Um unsere Version der Dinge subtil zu platzieren und sicherzugehen, dass diese auch wirklich die letzte bleibt. Kommunikation als Wettbewerb, quasi. Und trotzdem tat ich, was ich immer tue, wenn ich unbedingt noch was „sagen“ muss: Ich schrieb eine etwas längere WhatsApp über Dialogfähigkeit und sinnvolles Feedback. Ja, stimmt – auch, um ihm dezent zu signalisieren: „Schatzi, ich hab’s drauf, du nicht.“ Als ich auf „Send“ drückte, stand da, eh klar: …mehr lesen. Manche Paare schweigen, wir diskutieren, bis keiner mehr weiß, wer eigentlich Lust auf Punsch hatte. Oder ob Weihnachten heuer nicht doch auf einen Montag fällt. gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60 Er Mein liebster Therapeutin-Satz ist: „Ich würde vorschlagen, wir machen an dieser Stelle jetzt einen Punkt.“ Das Schöne daran: Wenn sie es sagt, nickt meine Frau. Eine Geste, die ihr niemals einfiele, würde ich um ein Wortkaskadenpauserl bitten – weil, unterbrechen geht gar nicht. Und gefühlt lautet ihre Rechnung: Ich habe dir jetzt sehr lange zugehört, jetzt musst du mir dreimal so lange zuhören. Ihr Wesentliches ist nämlich so wesentlich, dass Illias und Odyssee vergleichsweise als Notizbücherln erscheinen. Umso verblüffter war ich über ihren Vorschlag, das Ausmaß von Sprach- und Textnachrichten zu reduzieren. Das ist, als würde das Christkind ein Manifest verfassen, wonach es nur mehr ein Packerl pro Familie geben sollte. Nachdem ich mir also im Hinblick auf das Minimierungsexperiment die Lachtränen aus den Augen gewischt hatte, sagte ich: „Eher gewinnt Rapid das Double. Das schaffst du keine drei Tage.“ Worauf sie erst fragte, was ein Double sei und dann eine lange Erklärung lieferte, die mit Jetztpass’ einmal auf… begann und mit … so schaut's aus! endete. Feuerwerk Und prompt machte gnä Kuhn bereits am folgenden Tag die erste Ausnahme vom geplanten Kurz-Trip. Was natürlich nicht in die Kategorie „Fail“ fiel, sondern in jene der konstruktiven Adaption. Ich befand mich in einer Online-Sitzung und teilte den Kollegen nicht augenzwinkernd mit, dass mich gerade eine WhatsApp meiner Frau erreicht hätte, weshalb ich mich für zehn Minuten Lese- und Nachdenkzeit ausklinken müsste. Stattdessen tippte ich schnell die Antwort „Meeting“. Nicht ahnend, dass ich mit dieser Instant-Info in ihr ein Synapsenfeuerwerk auslösen könnte. Ein Ereignis, das sie in ihrer wiederentdeckten Rolle als Wortschatzi ruckzuck in ein wohlformuliertes Vormittagsepos verwandelte. Dessen Substrat in einem Satz Platz findet: So geht das nicht. Aber ehrlich: Wenn man nach so vielen Jahren noch immer so viele Gedanken wert ist, fühlt sich das auch verdammt schön an. Genau daran werde ich denken, wenn wir gemeinsam „Stille Nacht“ hören. In diesem Sinne, liebe Leserinnen und Leser, Ihnen allen ein friedvolles und liebevolles Weihnachtsfest! michael.hufnagl@kurier.at / facebook.com/michael.hufnagl9