Er spielt keine Hauptrolle – und doch ist der Esel weit mehr als nur ein Mitläufer. Egal, ob im Stall, auf einer verschneiten Wiese, im sonnenverbrannten Garten dieses idyllischen griechischen Bauernhauses – oder im Ensemble einer Weihnachtskrippe. Immer steht er da, still, warm atmend, mit diesem ernsten, beinahe wissenden Blick. Ein Tier, das wirkt, als verstünde es etwas, das wir Menschen übersehen. Gut möglich, dass es genau so ist. Immerhin kennt er uns auch schon ein Weilchen. Schon lang vor seinem kurzohrigen Cousin, dem Pferd, wurde er unser Begleiter. Vor mehr als 7.000 Jahren wurde der Esel in Ostafrika domestiziert. Der ägyptische Gott Seth hatte ursprünglich einen Eselskopf, er war das erklärte Lieblingstier des Apollon. Der schönste der griechischen Götter bedrohte einen Gläubigen gar mit dem Tod, als dieser ihm in seinem Tempel einen Esel opfern wollte. Er galt als Reittier der reichen Händler ebenso wie der Karawanenführer, da er mit seinem sicheren Schritt alle durch die gefährlichen Steinwüsten und über die kargen Berge brachte. Außerdem lest ihr in dieser Geschichte noch: Wie der Esel in den Weihnachtsstall kam Warum der Esel so „stur“ ist Wie der Esel zum Star des Entschleunigungs-Trends wurde Esel historisch ... In der Bibel kommt er immer dann vor, wenn Menschen Halt brauchen: Maria reitet auf ihm nach Bethlehem, auch auf der Flucht nach Ägypten vertraut die Heilige Familie einem Esel, und schließlich zieht Jesus auf einem Esel in Jerusalem ein – ein bewusstes Statement gegen den prunkvollen Kriegshengst. Und auch wenn die vier Evangelisten des Neuen Testaments sich mit wichtigeren Dingen beschäftigten, ist der Esel doch seit 1.700 Jahren ein unverzichtbarer Teil aller Weihnachtsgeschichten. Waldviertel Tourismus/sommertage.com „Ochs und Esel beteten ihn an“, heißt es etwa im „Pseudo-Matthäus-Evangelium“ aus dem 6. Jahrhundert. Der Esel verkörpert, was dieser Geschichte eingeschrieben ist: Demut, Treue, die Verlässlichkeit der Schwachen. Und eine gewisse stille Intelligenz, eine Art Wissen, das unsere Rationalität zu übersteigen scheint. Trotzdem haftet ihm das Image der „Dummheit“ an, was zoologisch völliger Unsinn ist... Esel sind nicht stur – sie sind sicherheitsorientiert. Während Pferde aus Panik fliehen, bleiben Esel stehen, analysieren die Lage und entscheiden dann. Evolutionär ist das überlebensklug, nur wir Menschen interpretieren es als Bockigkeit. Besonders schlimm machen Menschen diese Situation für einen Esel, wenn sie ihn anschreien oder gar schlagen. Dann wird aus seiner kurzen Nachdenkpause eine ausgewachsene Schockstarre. Die stillen Stars Aber genau diese Unbeirrbarkeit – man kann einen Esel, der in Reflexion versunken ist, praktisch zu nichts zwingen – macht ihn gerade zu einem regelrechten Symbol der Entschleunigung. ➤ Hier mehr lesen: Womanizer-Erfinder Michael Lenke: „Orgasmus ist ein Grundrecht!“ Die sanftmütigen Tiere bedienen eine Sehnsucht, die zur Zeit passt: Gelassenheit, Erdung, ein bisschen „Back to Bethlehem“, aber in Outdoor-Sandalen. Denn tatsächlich gelten Esel heute als außergewöhnlich empathische Tiere. In vielen Ländern werden sie therapeutisch eingesetzt – besonders für Kinder und Menschen mit Angststörungen. Ihr ruhiger Herzschlag überträgt sich messbar auf Menschen. Dazu kommt ihre Robustheit: Sie tragen nicht nur Lasten, sie tragen auch Emotionen. Und während Lamas und Alpakas längst Social-Media-Stars sind, holen die Esel auf. In Frankreich und Italien boomen Eseltrekkings, in Österreich und Deutschland gibt es Eselwanderungen, die Monate im Voraus ausgebucht sind. Kein Wunder, dass auch immer mehr Stars ihre Liebe zu den langohrigen Cousins der Pferde entdeckt haben. Robert De Niro besitzt seit Jahren mehrere Esel auf seinem Anwesen in Gardiner, New York – angeblich seine „Lieblingstiere“, weil sie „ehrlich und unbestechlich“ seien. George Clooney war eine Zeit lang sogar Esel-Pate; sein Anwesen in Los Angeles teilte er mit zwei geretteten Eseln, Max und Maya. Shakira hält zwei Esel auf ihrer Ranch in Spanien. Was diese Promis so an ihren Eseln lieben? Abgesehen davon, dass sie ja wirklich unglaublich süß aussehen, seien sie „ruhig, verlässlich, minimalistisch im Lifestyle“ – also das exakte Gegenteil jeder Celebrity-Kultur. Und vielleicht liegt genau darin der Reiz für Clooney & Co. Esel mögen’s heiß Was man gerade jetzt, bei allem noch so verlockenden Winterzauber nicht vergessen sollte: Esel wurden nicht für unser Klima „gemacht“. Tausende Jahre lang lebten sie ausschließlich in Afrika und in den heißen, trockenen Ländern des Mittelmeers. Ihre Hufe nehmen viel mehr Wasser auf als die Hufe von Pferden – sie sollten also nicht zu lange auf feuchtem Untergrund stehen müssen. Ihr Fell ist nicht wasserabweisend – sie frieren, wenn sie durchnässt sind. Und so gerne einige Esel auch im Schnee spielen – man sollte sie danach gut abtrocknen. Getty Images/Fotografie Julia Christe/Getty Images Manche Esel lieben den Schnee – manche nicht. Sie sind da sehr eigen. Wichtig ist, dass man sie nachher gut abtrocknet ... Dennoch spricht nichts gegen eine romantische Winterwanderung mit Esel. Die ist, wie jede Eselwanderung, eine gute Übung im „Einfach-Zulassen“. Denn wie gesagt: Auch wenn er gerne mit Menschen „arbeitet“, zwingen kann man ihn zu nichts. Wenn er beschließt, dass er eine Situation erst genauer analysieren will, bevor er weitergeht, muss man ihm die Zeit lassen. Auch wenn er zwischendurch ein wenig an einem Grasbüschel am Wegrand zupfen will. Das liegt übrigens daran, dass er 24 Stunden täglich Magensäure produziert – und ununterbrochen Kleinigkeiten essen muss. Und wie sieht’s mit Reiten aus? So belastbar Esel auch sein mögen und so sehr Menschen sie während unserer 7.000-jährigen gemeinsamen Geschichte auch geschunden haben, heute ist klar vorgegeben, dass ein Esel nur zusätzliche 20 Prozent seines eigenen Körpergewichts tragen darf. Bei durchschnittlich 200 bis 250 kg Eigengewicht, darf der Reiter also höchstens 40 bis 50 kg auf die Waage bringen. Das spricht für Kinder, aber nicht für Erwachsene. Die Zeiten, in denen übergewichtige Touristen sich von kleinen Eseln auf diverse griechische Burgen tragen ließen, sollten endgültig vorbei sein. Wer das Gefühl dennoch erfahren will, wie es ist, auf diesen weisen Tieren zu reiten, die den Menschen seit Jahrtausenden begleiten, muss ein wenig in die Ferne schweifen... Der andalusische Asno Zamorano-Leonés hat ein Gewicht von etwa 360 kg bei einer Schulterhöhe von etwa 145 cm, der angeblich von ihm abstammende American Mammoth bringt es auf unglaubliche 170 cm Größe und 400 – 500 kg. Das erlaubt dann auch einen erwachsenen Mann als Reiter. Aber wie auch immer wir Eseln heute begegnen, am Ende des Tages erzählen sie eine gegenwärtige Geschichte: über Geduld, über Widerstand, über die kluge Kunst, das Tempo selbst zu bestimmen. Und genau dafür MUSS man sie einfach lieben. Esel-Tipps Wandern und streicheln : Wachauer Eselabenteuer (Emmersdorf, NÖ): Esel kennenlernen, führen und bei geführten Wanderungen erleben. eselabenteuer.com Eselwanderungen Waldviertel (Lichtenau, NÖ): Hof, der sich auf Esel-Erlebnisse spezialisiert hat. 1-6 Stunden Wanderungen. eselwanderungen-waldviertel.at Eselei im Weinviertel (Magersdorf, NÖ): Tiere kennenlernen, bürsten, wandern – ideal für Kinder, Familien. eselei.at Eseloase (Ebendorf, NÖ): Entschleunigte Eselwanderungen durchs Weinviertel. Viel Aktivität am Hof. eseloase.at theresel – achtsame Eselwanderungen (Apetlon, Bgl.): Eselwanderungen rund um den Neusiedler See. theresel.at Schauen und staunen Österreichische Barockesel : Cremeweiß wie eine Wiener Porzellanfigur und blaue Augen! Im Sandeck-Gebiet des Nationalparks Neusiedlersee lässt sich eine Herde dieser extrem seltenen Rasse beobachten. Auch im Zoo Schloss Hof gibt es Exemplare. weisse-barockesel.at Sardinische Zwergesel : Die heimlichen Stars des Tierparks Stadt Haag. tierparkstadthaag.at Volksfest in Fagagna : Am ersten Septemberwochenende verwandelt sich das Städtchen bei Udine in eine Esel-Hochburg. Ein Karren-Rennen verschiedener Höfe, dann die Stadtteile gegeneinander wie beim „Palio“ in Siena. Dazu Musik, Kulinarik, Kostüme. Ein Spektakel.