Wo nicht nur Noten zählen: Baumit geht neue Wege in der Lehre

Mit 15 Jahren kam Gabriel aus Rumänien mit der Tante nach Österreich und konnte kein Wort Deutsch. In der Schule habe er sich sehr schwer getan, weil er nichts verstanden habe, „doch als ich bei Baumit als Lehrling keine Aufnahmetest machen musste, habe ich gedacht, das ist meine Chance“, erzählt Gabriel in einem Firmen-Video für die Lehrlingsausbildung. Der fußballbegeisterte Junge begann die Lehre zum Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutztechniker und büffelte fleißig Theorie. Die Lehrabschlussprüfung schloss er mit gutem Erfolg ab und bewährte sich als Staatsmeister in seinem Lehrberuf. Binnen sieben Jahren schaffte er es von Schnupperer zum Meister . Heute bildet er selbst Lehrlinge aus und schwärmt: „Wenn die Firma hinter dir steht und dir die Möglichkeit gibt, dich weiter zu entwickeln, dann ist das einfach die beste Firma für mich“. Der Baustoffspezialist aus Wopfing/NÖ geht bei der Lehre ganz bewusst einen anderen Weg: Während viele Unternehmen Online-Tests oder schulische Bewertungen als erste Hürde einsetzen, kann bei Baumit jeder Bewerber zuerst zwei Tage im Betrieb schnuppern, ausprobieren und zeigen, wo die eigenen Talente liegen. Erst danach wird entschieden, ob eine Ausbildung beginnt. Dadurch erhalten Jugendliche, die durch diverse sprachliche Barrieren oder schulische Defizite im Bildungssystem benachiligt wären, eine echte Chance. „Wir schauen nicht wie sonst üblich in erster Linie aufs Zeugnis, die Jugendlichen können sich praktisch beweisen“, erläutert Karl Postl, Leiter der Lehrwerkstätte, dem KURIER. Baumit Das Schulische könne man immer noch beibringen, etwa durch Nachhilfe oder externe Trainer. „Uns ist wichtig, dass wir die Lehrlinge von ganz unten abholen und auf Augenhöhe nach oben ziehen“, fasst er sein Credo zusammen. Der zusätzliche Zeitaufwand lohne sich. Von den Lehrlingen, die in den vergangenen 20 Jahren eine Ausbildung machten, sind 80 Prozent immer noch bei Baumit, zum Teil schon in der Führungsebene. Würde Baumit auf die üblichen, teilweise von KI-Algorithmen unterstützten Vorauswahl-Tests setzen, „hätten wir sicher einige Fachkräfte nicht bei uns“. Neben der Lehre mit Sonderbedarf bietet das Unternehmen auch Lehre mit Matura und engagiert sich im Piestingtal in Kooperation mit anderen Betrieben sehr für die Fachkräfteausbildung. „Wir stellen etwa einen Raum für externe Bildungseinrichtungen zur Verfügung“, schildert Postl. Den Lehrlingen werden auch Zusatzqualifizierungen wie Kran- oder Staplerschulungen oder Unterstützung bei der Führerscheinprüfung angeboten. „Wir haben in der Lehrwerkstätte einen eigenen PC mit den Prüfungsfragen“. Baumit Auch Mädchen werden bei Baumit für technische Lehrberufe gezielt angeworben Auszeichnungen für die Lehrausbildung Das Lehrlingsprojekt wurde erst kürzlich mit dem „ Intercultural Achievement Award“ (IAA) des Außenministeriums ausgezeichnet. Der Preis würdigt Projekte, die den interkulturellen Dialog stärken und jungen Menschen neue Perspektiven eröffnen. Auch den Amazonen-Award für besondere Leistungen rund um die Ausbildung von Mädchen heimste Baumit schon ein. Baumit bildet am Standort Wopfing derzeit 32 Lehrlinge aus, davon vier Frauen und drei mit Sonderbedarf. Angeboten werden vor allem technische Lehrberufe in der Elektrotechnik, Metalltechnik, Isoliertechnik oder Prozesstechnik. Sie erhalten für die Lehrausbildung ein Jahr länger Zeit. „Ganz selten wechselt jemand von uns zu einem anderen Betrieb“, freut sich der Lehrlingsausbildner, der ebenfalls als Lehrling begann und nun 42 Jahre in der Firma ist.