Wer Dänemark verstehen will, sollte der abgedankten Königin Margrethe zuhören. Die 85-Jährige, die noch immer gern ihre Filterlosen raucht, gilt wohl als ungewöhnlichste Monarchin Europas, dazu hat sie Witz. „Wir Dänen sind stolz auf unsere Bescheidenheit. Das ist aber auch eine Form von Größenwahn“, sagte sie einst. Das illustriert ganz gut, wie die Dänen ticken. „Man sollte sich selbst ja nicht allzu ernst nehmen, dann hat man es auch leichter miteinander“, sagt Monica Wenusch , Skandinavistin an der Uni Wien. „Das gilt, selbst wenn man Königin ist – oder für sie vielleicht sogar noch mehr.“ Lieblingsvorbild Dänemark ist in den letzten Jahren zu Österreichs liebstem Vorbild geworden. Kaum ein Monat vergeht, wo nicht eine Delegation nach Norden reist, um sich vom „dänischen Modell“ inspirieren zu lassen; sei es in Bildung, Migration, Gleichberechtigung und anderem. Am faszinierendsten scheint dabei immer die Frage, wie es die Dänen schaffen, derart glücklich (regelmäßig Platz eins der Welt), ziemlich vermögend (zehntreichstes Land weltweit) und dabei auch noch respektvoll im Miteinander zu sein. Eine simple Formel dafür gibt es freilich nicht, das mussten auch schon Österreichs Politiker lernen. Ein zentraler Faktor ist jedoch das Vertrauen in Politik und Nation: „Kaum anderswo wird der Staat so positiv gesehen wie hier“, sagt Wenusch. 64 Prozent sind mit ihrer Demokratie zufrieden – ein Spitzenwert in Europa; in Deutschland sind es 42, in Österreich gar nur 35. via REUTERS/Sebastian Elias Uthvia Vorbild für viele Dänen: Die einstige Königin Margrethe Staatsskepsis ist nicht gefragt Dass hierzulande parallel dazu jene Parteien Zulauf haben, die Staatsskepsis zum Programm gemacht haben, ist kein Zufall. FPÖ und AfD leben politisch davon, den Staat für das Unglück des Einzelnen verantwortlich zu machen und den Bürger umgekehrt aus der Verantwortung zu nehmen. In Dänemark gilt hingegen: „Der Staat tut viel für mich, darum gebe ich etwas zurück“, sagt Wenusch. Zwar hatten die Rechtspopulisten dort wegen der Migrationsfrage auch eine Hochphase , nun sind sie aber wieder Kleinparteien . Ihr patriotisch-nationalistisches Modell hat sich als nicht tragfähig erwiesen; zumindest in der dänischen Gesellschaft nicht. „Was dort zählt, ist die Gemeinschaft .“ Immer ein Kompromiss Dass das Gros der Dänen den eigenen Staat so positiv sieht, hat auch mit der eigenen Geschichte zu tun. Der in den 1930ern begründete Wohlfahrtsstaat war keine sozialdemokratische Erfindung, sondern wurde und wird von fast allen Parteien bis heute mitgetragen. Er war auch Gegenmodell zu den Nazis , die das Land ab 1940 besetzten. Die daraus gewachsene Liebe zum politischen Kompromiss sieht man heute noch bei jedem Regierungswechsel. Was der Vorgänger beschlossen hat, gilt auch nach der Wahl – mit den verbindlichen Verträgen, „ forlig “ genannt, bricht der politische Gegner in der Regel nicht. Das fällt in der Regel leicht, weil große Reformen meist mit breitem Konsens beschlossen werden. Auch bei der Anhebung des Pensionsalters auf 70 Jahre (und das für beide Geschlechter) und bei der Ausweitung der Wehrpflicht für Frauen war das zuletzt so. Beide Schritte wurden einige Monate diskutiert, das neue Rentenalter trugen dann 80, die Wehrpflicht 100 Prozent der Abgeordneten mit. Und das, obwohl die Ausweitung technisch gar nicht nötig wäre: Jährlich melden sich mehr Freiwillige zum Militär als nötig, Männer wie Frauen. In Österreich, sagt Wenusch, wäre das wohl nicht so einfach. Aber in einem Land, wo Gleichheit unter allen Bürgern Selbstverständnis ist, ist das anders – Dänemark ist in globalen Rankings stets vorn, Meetings nach 16 Uhr sind wegen der Familie verpönt, und auch Politiker und CEOs radeln in Kopenhagen zur Arbeit. Gesiezt wird nur im Königshaus Woran das wieder liegt? Auch das lässt sich mit einer Geschichte über Margrethe beantworten. Als ihr Mann Henrik , ein geborener Franzose, zu ihr nach Kopenhagen zog, fand er es respektlos, dass ihn alle duzten . In Dänemark ist wirklich jeder per Du – nur die Königsfamilie wird tatsächlich gesiezt. Doch selbst da hat die Königin Humor. Als eine junge Journalistin das mal vergaß, erinnerte Margrethe sie daran, dass sie doch nicht miteinander in die Schule gegangen seien – und lachte.