You'll Never Walk Alone: Zu Besuch an der legendären Anfield Road

Rechtzeitig vor den Feiertagen hat Liverpool mit zuletzt drei Siegen offenbar den Weg aus der Krise gefunden. Am Samstag wollen die Reds gegen Wolverhampton einen weiteren Schritt Richtung Spitze machen (16 Uhr/live Sky ). Der KURIER war vor wenigen Wochen zu Besuch an der legendären Anfield Road . Da kann man schon einmal kurz in Ehrfurcht erstarren, wenn man zum ersten Mal an die Anfield Road kommt. Kein Wunder, steht hier doch einer der berühmtesten Fußball-Tempel der Welt. Mächtig wirkt er schon von außen, innen wird es aber noch beeindruckender. Spätestens wenn die mehr als 60.000 Fans „You’ll Never Walk Alone“ anstimmen. Apropos: Die Vereinshymne ist hier in mehrerlei Hinsicht Programm. Geht man aus dem Stadion raus und nur einmal über die Straße, dann steht man vor ihm. Ian Rush , legendärer Stürmer der Reds in den 80er- und 90er-Jahren, dreht jubelnd ab – als Graffiti in Überlebensgröße auf einer Hausmauer. Rush ist in guter Gesellschaft, nur wenige Häuser weiter sind andere Vereinslegenden wie Steven Gerrard, Virgil van Dijk oder Mohamed Salah zu bewundern. Auch Jürgen Klopp ist da – bei seinem Ebenbild scheint es fast so, als hätte man ihm die Zähne gebleicht. Ehre, wem Ehre gebührt Legenden gibt es bei Liverpool viele – sie werden hier verehrt wie kaum wo anders. Das wird auch beim Rundgang durchs Stadion klar. Bill Shankly und Bob Paisley , die Erfolgstrainer aus den 70er- und 80er-Jahren, sind genauso allgegenwärtig wie ihre Nachfolger Kenny Dalglish, Gerard Houllier oder Jürgen Klopp . Und Rafael Benitez , der 2005 das Wunder von Istanbul möglich machte, als Liverpool im Champions-League-Finale gegen Milan ein 0:3 aufholte und im Elfmeterschießen siegte. Wer Liverpool sagt, der muss aber auch Beatles sagen. Die Statuen der „Fab Four“ an der Mersey sind zwar ein beliebtes Fotomotiv, aber längst nicht so beeindruckend wie Anfield. Liverpool ist eine Arbeiterstadt mit rund 500.000 Einwohnern im Nord-Westen Englands. Nicht außergewöhnlich schön, aber mit viel Charme und freundlichen Leuten, die nicht viel brauchen, um glücklich zu sein. 2008 war Liverpool Kulturhauptstadt Europas, da wurde einiges modernisiert. Der Charakter der Stadt werde sich aber nie ändern, da sind sich alle hier einig. Rot oder Blau? Der FC Liverpool ist nicht der einzige Fußballklub in der Stadt. Rot oder Blau? Diese Frage muss sich jeder hier stellen. Oder auch nicht, weil man sowieso schon im Dress einer Mannschaft geboren wird. Everton ist zwar nicht so erfolgreich, soll in der Stadt aber mehr Fans haben. Die Rivalität ist groß, aber von Respekt geprägt. „Ich war sieben Jahre hier und habe keine einzige ungute Situation erlebt“, sagt etwa Didi Hamann . Der Deutsche feierte große Erfolge mit den Reds, er muss auch heute noch auf der Straße für Fotos posieren. Doch auch die Toffees, also Everton, respektieren ihn und andere Liverpool-Legenden. FC Liverpool ist man meist ein Leben lang – und oft sogar noch länger. Der Tod spielt eine große Rolle in der Geschichte des Vereins. An die Tragödie von Hillsborough 1989 wird an der Stadion-Mauer noch immer gedacht. Fotos, Kerzen, Bilder – man hat die Opfer auch 36 Jahre danach nicht vergessen. Schräg gegenüber in der Wiese brennen ebenfalls Kerzen. Diogo Jota ist vergangenen Sommer bei einem Autounfall ums Leben gekommen. An der Anfield Road ist auch der Portugiese unsterblich. Und so mancher Fan dreht bei der Fahrt zu seiner letzten Ruhestätte auch noch einmal eine Ehrenrunde ums Stadion. Aus einem Lautsprecher auf dem Leichenwagen zu hören – wie könnte es auch anders sein: „You’ll Never Walk Alone“.