Wiens Parteien im Check: Die im Schatten sieht man nicht

Wie ist es um Wiens Parteien bestellt? Wir widmen uns zum Jahreswechsel jeder Partei im ausführlichen Check. Im Serienteil 2 sind die Neos an der Reihe. „Und was ist das jetzt genau?“, fragt Bettina Emmerling und löffelt einen Bissen des veganen Signature-Tatares des Wiener Sternekochs Paul Ivic in sich hinein. Noch ein Blick in die Kamera, noch einen Bissen, noch ein „Sehr gut“ – dann ist der Social-Media-Beitrag von der Eröffnung der Markthalle am Wiener Naschmarkt im Kasten. So wirklich wohl fühlt sich die Neos-Frontfrau in der Rolle der leutseligen Vizebürgermeisterin noch nicht, das sieht man ihr an. Vielleicht liegt es auch ein bisschen an jener Frau, die wie ein Schatten hinter Emmerling über die Szenerie wacht – ihre rote Stadtratskollegin Ulli Sima . Ihr hat man zwar keine Tatar-Schüsserl gereicht, sie ist aber der eigentlich Spiritus Rector der Markthalle. Die Abstauberin Seit Emmerling in der Koalition das Märkte-Ressort übernommen hat, das die Neos der SPÖ in den Verhandlungen mühsam abgerungen haben, betätigt sie sich – um einen Begriff aus der Fußballsprache zu bemühen – als Abstauberin: Sie präsentiert und eröffnet jene Projekte, die ihre Vorgängerin auf den Weg brachte. Im Fußball sind solche Spieler nicht zwangsläufig beliebt . Auch sonst steht die pinke Vizebürgermeisterin noch im Schatten. Das liegt zum einen an der SPÖ, die als übermächtiger Koalitionspartner wenig Lust verspürt, Emmerling mitspielen zu lassen. Bereits ihr Vorgänger, der in den Bund enteilte Christoph Wiederkehr , tat sich als Einzelkämpfer in der rot-pinken Koalition schwer. Damals herrschte aber zumindest anfangs noch Punschkrapferl-Seligkeit; jetzt steht ein hartes Sparprogramm an, das Emmerling mittragen muss. Dass sie als Integrationsstadträtin von den Kürzungen bei der Wiener Mindestsicherung dem Anschein nach aus einem Interview Michael Ludwigs mit dem Magazin News erfuhr, zeigt, wie viel Wert die SPÖ auf die Zusammenarbeit legt. Ungeklärte Chef-Frage Zum anderen machen es auch die Neos selbst der eigenen Chefin nicht ganz leicht. Was nicht zuletzt daran liegen mag, dass die Frage, ob Emmerling die Chefin ist oder nicht, nicht restlos geklärt ist. APA/HANS KLAUS TECHT Emotional nicht für den Abschied aus Wien bereit: Minister Christoph Wiederkehr, der formal immer noch Parteichef ist. In ihrem wichtigsten Zuständigkeitsbereich, der Bildung, könnte sie tatsächlich aufzeigen: Zum ersten Mal seit vielen Jahren gehören die Bildungs-Verantwortlichen in Stadt und Bund der gleichen Partei an. Da könnte man – wir bleiben in der Fußballsprache – eigentlich das Doppelpassspiel üben. Bis jetzt gehört die mediale Aufmerksamkeit noch zu sehr Bildungsminister Wiederkehr, der sich in der Öffentlichkeit zudem lieber mit Außenministerin und Bundes-Chefin Beate Meinl-Reisinger (deren Karriere ebenfalls in Wien begann) zeigt. Dass Wiederkehr sich nicht wirklich von Wien lösen kann, um sich auf seine Rolle im Bund zu konzentrieren, zeigt sich auch daran, dass er formal immer noch Landesparteichef ist. Und dem Vernehmen nach auch nicht gedenkt, daran bei der nächsten internen Wahl etwas zu ändern. Emmerling tut er damit keinen Gefallen. Ist eine andere die Nummer eins? Vor allem, weil sie intern noch mit einer zweiten Widersacherin zu kämpfen hat: Klubobfrau Selma Arapovic hält sich zwar kollegial-höflich zurück. Sie kann aber selbstbewusst darauf vertrauen, dass sie die Sympathien der pinken Basis hat. Ginge es nach den Mitgliedern, wäre sie die Nummer eins. APA/TOBIAS STEINMAURER Bei der Basis beliebt: Neos-Klubobfrau Selma Arapovic. Dass dennoch Emmerling vorne steht, war die umstrittene Entscheidung der Parteispitze. Es ist davon auszugehen, dass die internen Wahlmodi vor der nächsten Mitgliederversammlung noch für Debatten sorgen werden. In den Umfragen können die Neos ihr Ergebnis der Wien-Wahl derzeit halten. Laut einer Befragung des (wohlgemerkt SPÖ-nahen) Stadtsenders W24 liegen die Pinken unverändert bei 10 Prozent. Die SPÖ käme auf 36 Prozent; das wäre ein Minus von 3 Prozentpunkten.) Bei der (fiktiven) Bürgermeister-Direktwahl kommt Emmerling hingegen nur auf 4 Prozent. Sie liegt in den Persönlichkeitswerten damit sogar hinter dem neuen ÖVP-Chef Markus Figl (6 Prozent), dessen Partei weiter abstürzt (7 Prozent). Im nächsten Jahr muss Emmerling punkten. Neben dem schwierigen Thema Bildung steht eines der sogenannten Leuchtturmprojekte der Koalition auf der Agenda. Es geht um die Umgestaltung der Ringstraße , die „Fußgänger- und Radfahrer-freundlicher“ werden soll. Der genaue Zeitplan ist noch nicht bekannt. Emmerling hatte sich bereits vor der Wien-Wahl für das Thema eingesetzt – und durfte es bei der Präsentation des rot-pinken Regierungsprogramms mit Ludwig dann sogar selbst referieren. Und das, obwohl sie eigentlich gar nicht zuständig ist. Verantwortlich ist Ulli Sima. Der nächste Serienteil am 29. Dezember: die Grünen .