Günther Lainer will Entschleunigung, aber schnell!

In vier Tagen ist dieses Jahr Geschichte und wie jedes Jahr höre ich überall – und spüre es selbst: Wahnsinn, wie schnell dieses Jahr vergangen ist. Passend dazu boomen Entschleunigungsseminare wie nie zuvor. Alles muss langsamer werden – aber bitte schnell. Dort gibt es wirklich beeindruckende Übungen, zum Beispiel: 100 Meter in einer Stunde gehen. Ohne Uhr. Ein neues Lebensgefühl schlägt den Uhrzeiger. Großartig! Dabei ist Entschleunigung im Alltag eigentlich ganz einfach, wenn man sich die Zeit nimmt: Ein kleines Mittagsschlaferl, nachmittags gemütlich Kaffee trinken, eine Zigarette in der freien Natur, sich einfach hinsetzen und an nichts denken, ein stilles Mineralwasser trinken oder einfach 60 Minuten auf die Uhr schauen und beobachten, wie eine Stunde vergeht. Prickelndes Mineralwasser schütteln Mein Favorit: Ein prickelndes Mineralwasser kaufen und so lange schütteln, bis es still wird. Wichtig: So schütteln, dass es nicht übergeht. Das habe ich einmal am Bahnsteig gemacht. Es hat hervorragend entschleunigt – vor allem, weil die Blicke der wartenden Menschen unbezahlbar waren. Doch die beste Entspannung ist immer noch das Zugfahren. Obwohl die Durchsagen im Zug schon auch herausfordernd sind: „Wir wünschen Ihnen eine angenehme und spannende Fahrt.“ Wie soll das gehen? Entweder angenehm oder spannend. Früher ist der Schnellzug von Linz nach Wien zwei Stunden gefahren. Damals war die Schnelligkeit langsamer Heute schafft man die Strecke in etwas mehr als einer Stunde. Ich nehme trotzdem oft den langsameren Zug, damit ich mehr arbeiten kann. Völlig kontraproduktiv, aber immerhin konsequent falsch. Man kann natürlich auch mit der Deutschen Bahn fahren. Okay – so langsam will ich es auch wieder nicht. Man will ja schließlich ankommen. Überhaupt ist Zugfahren eine eigene Form der Meditation. Zum Beispiel vom nördlichen Waldviertel ins südliche Burgenland. Oder besonders empfehlenswert zur inneren Einkehr: Die Mühlkreisbahn von Linz nach Aigen-Schlägl. Nach dieser langsamen Fahrt bist du zwar oben in Schlägl „herunten“ – total entspannt. Wenn du jedoch von Schlägl wieder hinunterfährst, kommst du dann zwar in Linz unten an, bist aber vom Stresspegel wieder ganz „oben“ – so viel Entschleunigung auf einmal verarbeitet kein Mensch. Den Begriff „Slow Food“ finde ich auch faszinierend. Ich möchte das unbedingt ausprobieren, wenn ich Hunger habe: Ich gehe in ein Slow-Food-Breakfast-Lokal, bestelle zwei große Frühstücke. Und esse alles in zehn Minuten auf. Habe dann sozusagen das Slow-Food in Fast-Food verwandelt. Ich bin mir sicher, sie werfen mich schneller hinaus, als ich „Achtsamkeit“ sagen kann. Und ich werde dann ganz ruhig sagen: „Langsam, langsam!“ Keine Zeit für Stress In einer Diskussion über Stressresilienz habe ich einen großartigen Satz gehört, den ich mir für das nächste Jahr merke: Keine Zeit für Stress! Ich hoffe, ich habe Sie mit diesen Gedanken jetzt nicht gestresst. Ich wünsche Ihnen einen ruhigen Jahresausklang und ein angenehmes und spannendes neues Jahr 2026. Günther Lainer ist Kabarettist. Termine: www.guentherlainer.at/termine .