„Ich muss abnehmen.“ Sie wollen also weniger werden, um mehr zu sein. Paradox, nicht wahr? Und trotzdem ist der moderne Mensch permanent kurz davor, weniger zu wiegen. Als wäre der Körper ein Koffer, den man erleichtern muss, damit er noch als Handgepäck durchgeht. „Sie haben drei Kilo Übergewicht! Das kostet Aufpreis oder Sie lassen den rechten Oberschenkel da.“ Sie haben bis heute keine eigene Sprache – sie haben zwei geliehene. Sie haben keine eigene Küche – sie haben Pommes und Pralinen, und ihr ganzer Stolz ist das Atomium. Neun aufgeblähte Kugeln aus Stahl. Und dann kommt ein Mann aus diesem Land, dessen Hauptstadt nur existiert, weil die EU einen Parkplatz brauchte, und gibt dem Rest der Welt ausgerechnet diese eine Sache: ein Maßstab für menschliches Versagen. Aber die Waage zeigt zu viel an? Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein anderes Möbelstück, das Sie jeden Morgen beleidigt. Einen Stuhl, der sagt: „Du bist zu schwer für mich!“ Eine Lampe, die flüstert: „Du wirfst zu viel Schatten!“ Würden Sie das akzeptieren? Eben. Aber die Waage darf urteilen. Früher hatte man einen Beichtstuhl, heute hat man eine Waage. Der Unterschied: Im Beichtstuhl wurde einem vergeben. Drehen Sie einfach den Spieß um. Wiegen Sie die Waage und sagen Sie ihr dann, sie sei zu schwer. Es ist der Weihnachtsspeck? Wieso sagen Sie das so angewidert? Speck glänzt. Er schimmert. Er ist nicht Makel, er ist Schmuck. Der Weihnachtsspeck ist im Grunde eine Brosche aus Butter, ein Diadem aus Gänsebraten, ein Collier aus Christstollen. Ich bitte Sie um etwas mehr Respekt. Omas Braten, Mamas Kekse. Sie tragen Ihre Verwandtschaft auf den Hüften. Seien Sie dankbar – andere tragen Sie im Herzen und brauchen viel Therapie. Wer sagt überhaupt, dass Sie zu dick wären? Der BMI? Natürlich. Der Body-Mass-Index. Das sind drei Wörter, die vorgeben, gründlich zu sein, und keines davon ist Deutsch. Das alleine sollte uns alle stutzig machen. Laut BMI ist Arnold Schwarzenegger übrigens schwer adipös, und das, obwohl man auf seinen Bauchmuskeln Klavier spielen könnte – und zwar vierhändig. Was piepst da ständig? Ihr Schrittzähler? Gott, ist das nervig. Was will er denn so dringend? Sie daran erinnern, dass Sie noch keine zehntausend Schritte gegangen sind? Was sind Sie? Ein Wanderverein? Schreiben Sie zurück: „Beweg dich selber! DU bist schließlich das mobile Gerät!“ Wussten Sie, dass der BMI vor 200 Jahren erfunden wurde? Damals war Dünnsein kein Lifestyle, sondern Tuberkulose Und dann auch noch von einem belgischen Mathematiker. Keinem Arzt, einem Mathematiker. Das ist, als würde man einen Dachdecker fragen, ob der Leberfleck verdächtig aussieht. Die Ironie könnte nicht fetter sein: Was wussten Belgier schon vor 200 Jahren? Wenn Sie wirklich abnehmen wollen, dann suchen Sie sich doch zumindest eine Sportart aus, die Spaß macht. Ich empfehle Running Sushi. Und wenn Ihnen Ihre Ärztin sagt, Sie wären laut BMI übergewichtig, dann antworten Sie, dass Sie sich aber als normalgewichtig identifizieren. Das ist heutzutage eine gültige Antwort auf alles. So, das macht dann 280 Euro bitte. Oder auch 11.300 Franken, wenn man wie Sie an tote Belgier glaubt. Aida Loos ist mit „Zeitloos“ auf Tour, zum Beispiel am 7. 5. 2026 Kulisse Wien.