Für eine Industriestrategie, die ihren Namen verdient

Seit dem Sommer arbeiten verschiedene Ministerien und die Sozialpartner an der neuen Industriestrategie – also einem langfristigen Plan für den österreichischen Industriestandort in Zeiten globaler Umbrüche. Eigentlich wurden die ersten Ergebnisse im November erwartet, nun wurde die Präsentation auf Anfang 2026 verschoben. In die Erarbeitung wurden – typisch österreichisch – möglichst viele Stakeholder eingebunden. Das hat sicher Vorteile, könnte aber auch zu einem verwässerten Papier führen, in das vieles hineinreklamiert wird, das aber kaum den Namen “Strategie“ verdient. Oder noch schlimmer: Unter Federführung von Wolfgang Hattmannsdorfers Wirtschaftsministerium könnte man sich an eine Verbrenner-Welt von gestern klammern, während die Fakten eine andere Sprache sprechen: Arbeiterkammer und Umweltbundesamt sehen durch die ökologische Transformation ein deutliches Potenzial für zusätzliche Arbeitsplätze, +21% allein im Mobilitätssektor. Die Abhängigkeit von fossiler Energie, die zu einem großen Teil von fragwürdigen Regimen im Ausland erworben wird, führt hingegen zu einem Kaufkraftabfluss in Höhe von 9,5 Milliarden Euro im Jahr. Für die Zukunft unseres Industriestandortes ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien also nicht schädlich, sondern essenziell. Kurt Prinz Mati Randow Während die Wasserkraft hierzulande bereits recht großflächig ausgebaut und Solarenergie stark jahreszeitabhängig ist, gibt es bei der Windenergie noch hohes Wachstumspotenzial. Rund 83 Terawattstunden durch Wind erzeugter Strom wären möglich – mehr als der gesamte jährliche Stromverbrauch in Österreich. Genutzt davon werden derzeit nur 8,3 TWh, also gerade einmal ein Zehntel. Wer politisch gegen Windräder wettert, tut also nicht nur der Umwelt, sondern auch den Industriearbeiter:innen keinen Gefallen. Natürlich läuft nicht alles schlecht: Etwa im Recycling, der Energie- und Gebäudetechnik (inkl. Komponenten für PV, Solarthermie und Windkraft) ist Österreich laut Umweltbundesamt schon jetzt besonders innovativ und exportstark. Gleichzeitig wurden wir in Bereichen wie der chemischen Industrie und dem Mobilitätssektor technologisch bereits abgehängt. Hier drohen ohne gezielte Maßnahmen für Grundlagenforschung und Entwicklung unzählige Arbeitsplätze verloren zu gehen. Eine Industriestrategie kann also nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich der Realität stellt und klar auf das Ziel der Klimaneutralität ausgerichtet ist. Dafür muss die Transformation zur „Clean Industry“ in den Mittelpunkt gestellt, die Kreislaufwirtschaft weiterentwickelt und die Windenergie vorangetrieben werden, um die Versorgung von Industrie und Bevölkerung mit leistbarer, erneuerbarer Energie sicherzustellen. Nur mit einer solchen, unmissverständlichen Strategie können wir den größer werdenden Zukunftsängsten vor Einkommens- und Statusverlust vorbeugen und die gesellschaftliche Akzeptanz der notwendige Transformation erhöhen. Wer hat den Mut? Nun bleibt nur noch die Frage, wer den Mut hat, für diese Transformation politisch einzustehen. Die sich noch immer als Wirtschaftspartei bezeichnende ÖVP zelebriert lieber Technologien von vorgestern und bleibt damit Jahrzehnte hinter den innovativen österreichischen Industrieunternehmen hinterher, die sie vorgibt, zu vertreten. Die FPÖ leugnet den menschengemachten Klimawandel und erzählt den Industriearbeiter:innen dieses Landes, dass ihre Arbeitsplätze erhalten werden können, wenn man bloß jenen, die noch weniger haben, genug wegnimmt. Gleichzeitig würde sie lieber Milliarden für fossile Energieträger nach Russland schicken, als sie in heimische Hochtechnologie zu investieren. Bleibt noch die Sozialdemokratie, die in ihrer langen Geschichte schon viele Transformationen begleitet, ihre Folgen abgefedert und für die große Masse der arbeitenden Menschen positiv gestaltet hat. Wird sie es auch diesmal schaffen? Es muss gelingen, den Koalitionspartnern, aber auch allen eigenen Verantwortlichen klarzumachen, dass es in dieser historischen Situation eine mutige Industriestrategie braucht. Wir haben nur eine Chance, den österreichischen Standort und seine hochqualitativen Arbeitsplätze zu erhalten und auszubauen. Nutzen wir sie! Zum Autor: Mati Randow ist Student, war als Schulsprecher der AHS Rahlgasse in der Coronazeit medial präsent. Ist Vorsitzender der Sektion Acht, einer Basisgruppe in der Wiener SPÖ.