Die Jagd nach der genauesten Uhr der Welt

Die genaue Uhrzeit zu kennen, ist heutzutage mehr als nur praktisch. Viele Technologien hängen davon ab – von Satellitennavigation über die Steuerung des Stromnetzes bis zur Kommunikation. Forscher versuchen daher, immer genauere Uhren zu entwickeln, mit denen immer genauere Instrumente gebaut oder Standortbestimmungen durchgeführt werden können (siehe unten). Bislang stellen Atomuhren den Goldstandard unter den genauen Uhren dar. Die präzisesten von ihnen gehen in 200 Millionen Jahren gerade einmal eine Sekunde falsch. Zum Vergleich: Das Universum ist etwa 13,8 Milliarden Jahre alt. Doch es geht noch genauer, zumindest in der Theorie. Sogenannte Atomkernuhren nutzen nicht ganze Atome, sondern nur Atomkerne, um die Zeit zu messen (siehe rechts). Das ist nicht nur genauer, die Zeitmessung kann auch weniger von äußeren Einflüssen verfälscht werden. Seltenes Element Solche ultragenauen Atomkernuhren gibt es noch nicht, ein Prototyp der TU Wien aus dem vergangenen Jahr zeigte aber, dass eine Kernuhr zumindest technisch möglich ist. Nun muss nur noch an der Genauigkeit geschraubt werden, wozu einiges an Forschung nötig ist. Diese steckt aber derzeit in den Kinderschuhen. Das liegt auch daran, weil für Kernuhren nur eine spezielle Variante des Schwermetalls Thorium (sogenanntes Thorium 229) infrage kommt. Dieses muss aufwändig hergestellt werden, in der Natur kommt es praktisch nicht vor. Entsprechend gering ist die Verfügbarkeit. Nur etwa 40 Gramm stehen geschätzt weltweit der Forschung zur Verfügung. Um die Thorium-Kerne in der Uhr nutzen zu können, mussten sie bisher in einem Kristall eingeschlossen werden. Das ist aufwändig und benötigt relativ viel des seltenen Materials. Forscher der University of California in Los Angeles haben nun einen Weg gefunden, um kostengünstig und mit nur geringsten Mengen an Thorium ähnliche Ergebnisse wie mit Kristallen zu erzielen. Dank dieses Durchbruchs könnten Kernuhren eines Tages sogar in unseren Smartphones und Armbanduhren zum Einsatz kommen, wie die US-amerikanischen Forscher schreiben. Winzige Menge reicht Bei der im Fachmagazin Science vorgestellten neuen Methode werden winzige Mengen Thorium auf eine Edelstahlunterlage galvanisiert. Beim Galvanisieren wird eine dünne Schicht eines Metalls durch elektrischen Stromfluss auf ein anderes Metall aufgetragen. In der Industrie nutzt man die Technik etwa seit mehr als 100 Jahren, um Schmuckstücke zu vergolden oder Bauteile vor Korrosion zu schützen. „Wir haben fünf Jahre gebraucht, um herauszufinden, wie man Kristalle züchtet, und jetzt haben wir herausgefunden, wie man mit einer der ältesten industriellen Techniken und 1.000 Mal weniger Thorium die gleichen Ergebnisse erzielen kann“, sagt der beteiligte Physiker Eric Hudson in einer Aussendung. „Alle gingen immer davon aus, dass Thorium in ein Material eingebettet sein muss, das transparent ist. In dieser Arbeit haben wir gezeigt, dass dies einfach nicht stimmt.“ Thoriumkerne werden nämlich mit UV-Licht angeregt. Damit das Licht auch alle Atomkerne erreichen und anregen kann, sollte das Trägermaterial lichtdurchlässig sein. Das ist bei der Technik in den USA zwar nicht der Fall, „wir können aber immer noch genug Licht in diese undurchsichtigen Materialien eindringen lassen, um die Kerne in der Nähe der Oberfläche anzuregen“, sagt Hudson. Doch ganz so nah an der Atomkernuhr, wie es die US-Forscher darstellen, sei man noch nicht, meint Professor Thorsten Schumm der TU Wien. Er ist einer der führenden Experten bei Thoriumkernuhren und steht mit seiner Arbeit in direkter Konkurrenz mit den US-Forschern. „Sehe keinen Durchbruch“ „Die Methode kommt in der Tat mit weniger Material aus“, bestätigt der Experte auf KURIER-Nachfrage. Die Menge des Materials sei aber eigentlich kein Thema mehr. Auch in Kristallen gelte „weniger ist mehr“. Die Gruppe habe es zudem nicht geschafft, die feinen Veränderungen in den Atomkernen sichtbar zu machen. Diese Präzision brauche es für eine funktionierende Kernuhr. „Es fällt mir wirklich schwer, hier einen Durchbruch zu sehen“, sagt Schumm. Konkret zum Thema dieser Arbeit werde Schumm und sein Team sowie eine japanische Gruppe ebenfalls bald eine Studie veröffentlichen. Sie soll in wenigen Wochen erscheinen. Man darf also gespannt sein. Hintergrund: Wie Atomuhren funktionieren Bei einer Atomuhr regen elektromagnetische Wellen  mit einer  bestimmten Frequenz Atome an. Liegt die Frequenz auch nur ein wenig daneben, werden diese nicht mehr angeregt. Die Atome dienen also als Kontrolle, dass die Frequenz der Welle immer gleich bleibt. Definition einer Sekunde Die Spitzen und Täler der Welle sind wie das „Pendel“ einer Uhr. Je höher der Takt des Pendels, also die Frequenz ist, desto genauer ist die Atomuhr. In einer Cäsium-Atomuhr wird ein Cäsiumatom mit genau 9.192.631.770 Schwingungen pro Sekunde (9,19 Gigahertz) angeregt . Das ist die aktuelle Definition einer Sekunde. Strontium-Atomuhren haben einen „Takt“ von 430.000 Gigahertz, Thoriumkerne haben zwei Millionen Gigahertz.