Wenn Andreas Widhölzl vorgehabt haben sollte, von der Ergebniskrise seiner Skispringer abzulenken, dann ist ihm das trefflich gelungen. Bei der Präsentation des österreichischen Teams für die am Montag in Oberstdorf beginnende 74. Vierschanzentournee (16.30 Uhr, live ORF1) rückten die ÖSV-Athleten kurzerhand in den Hintergrund. Alles drehte sich um den verwegenen Bart , mit dem der Chefcoach zur Tournee gereist war. Christoph Geiler ÖSV-Cheftrainer Andreas Widhölzl ließ sich für die Tournee einen verwegenen Bart wachsen Die ungewöhnliche Rasur sei ein Tribut an seine musikalischen Helden James Hetfield (Metallica) und Lemmy Kilmister (Motörhead), meinte der erklärte Heavy-Metal-Liebhaber. So nebenbei wolle er als Coach aber auch einen Aufbruch signalisieren . Mit dem Ziel, dass die österreichischen Skispringer bei der Tournee die Konkurrenten wie im Vorjahr beim legendären Dreifachsieg ... rasieren. Neue Ausgangslage „Die Ausgangslage ist heuer eine andere“, weiß Andreas Widhölzl. Der Tiroler musste in diesem Winter bislang oft vom beliebten Gestaltungs- in den notwendigen Erklärmodus umschalten: Er sollte Begründungen liefern, warum die Österreicher die Lufthoheit verloren haben . Er sollte aufklären, weshalb Seriensieger plötzlich hinterherspringen und nicht mehr ganz auf der Höhe sind. Und er sollte vor allem Hoffnung wecken, dass die ÖSV-Adler bei der Tournee keinen Absturz fabrizieren. „Es scheitert sicher nicht am Potenzial“, versicherte Andreas Widhölzl vor dem Auftaktbewerb in Oberstdorf. Und aus dem 49-jährigen Tiroler spricht da keineswegs nur Zweckoptimismus. „Wir sind mannschaftlich wirklich extrem gut.“ Positive Jägerrolle Kein Vergleich zu den Anfängen seiner Tätigkeit als Cheftrainer, als die ganze Verantwortung auf Leader Stefan Kraft gelastet war. Die Ausgangslage ist – trotz aller ausbleibenden Erfolge – auch deutlich besser als vor der Tournee 2020/’21, als praktisch das gesamte österreichische Team durch das Coronavirus außer Gefecht gesetzt wurde. APA/GEORG HOCHMUTH / GEORG HOCHMUTH Andreas Widhölzl ist seit 2020 Chefcoach der österreichischen Skispringer „Ich finde die Jägerrolle, die wir jetzt haben, gar nicht so schlecht. Andere haben einen großen Rucksack, wir sind angriffslustig“, sagt Andreas Widhölzl. Der Rückstand zu den aktuellen Topstars Domen Prevc (SLO) und Ryoyu Kobayashi (JPN) sei jedenfalls deutlich geringer, als es die Ergebnislisten zuletzt ausgedrückt haben. Fehlende Lockerheit Widhölzl verweist auf die Auftritte im Training und in der Qualifikation. „Da waren wir mannschaftlich immer gut dabei. Das Problem war bisher eher die fehlende Lockerheit im Wettkampf.“ Mit dem Dreifachsieg bei der Tournee vor einem Jahr und dem Triple im Gesamtweltcup – jeweils Daniel Tschofenig vor Jan Hörl und Stefan Kraft – haben sich die Österreicher die Latte dermaßen hochgelegt, dass nun schon fünfte Plätze wie Niederlagen wirken. APA/GEORG HOCHMUTH / GEORG HOCHMUTH Bei der Tournee 2024/'25 gab es durch Daniel Tschofenig, Jan Hörl und Stefan Kraft einen österreichischen Dreifachsieg Fehlende Geduld „Sie wollen unbedingt beweisen, wie gut sie sind und stehen sich dadurch dann oft selbst im Weg“, sagt Andreas Widhölzl. Besonders auffällig ist das bei Daniel Tschofenig , der nach seinem Sieg beim Saisonauftakt in Lillehammer in Turbulenzen geriet. „Er war vor der letzten Saison erfolgsverwöhnt. Jetzt geht es ihm alles zu wenig schnell.“ Ähnlich verhält es sich bei Jan Hörl, der auch mit sich und seinen Leistungen hadert. „Bei ihm ist es eine rein mentale Geschichte.“ Am besten schlägt sich da noch Stefan Kraft , der im Laufe seiner langen Karriere schon öfter in solchen Situationen war. „Er ist total unbeeindruckt und bleibt positiv. Und er weiß, dass er bei jeder Tournee zu den Mitfavoriten gehört“, sagt Widhölzl. Grundsätzlich fehlt allen nicht viel: Ein Aha-Erlebnis im Training , ein Hauch mehr Lockerheit. „Dann läuft es von alleine und jeder der drei kann die Tournee gewinnen.“