Auf dem Weg zum Quantencomputer „Made in Europe“

Im November diskutierten in Berlin der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz und der französische Staatspräsident Emmanuel Macron gemeinsam mit europäischen Techunternehmen Fragen der digitalen Souveränität. Mit am Tisch saß Alexander Glätzle. Der Tiroler Physiker baut mit dem von ihm mitgegründeten Münchner Unternehmen planqc Quantencomputer. Das Treffen mit den europäischen Spitzenpolitikern sei der Höhepunkt einer kontinuierlichen Arbeit seines Unternehmens und befreundeter Start-ups gewesen, die Dringlichkeit und die Wichtigkeit des Sektors in der Politik zu verankern. Denn die Sicherheit und Wertschöpfung des Kontinents hänge davon ab, ob es Quantencomputer „Made in Europe“ geben werde, sagt Glätzle: „Das ist verstanden worden.“ Planqc ist auf dem besten Weg dazu, einen Quantencomputer zu bauen, der tatsächlich einen Mehrwert bieten wird. Für das Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) in Garching bei München und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) werden bereits Rechner zusammengesetzt. Sie sollen im Verbund mit Supercomputern zum Einsatz kommen und zur Lösung spezifischer Rechenprobleme herangezogen werden. Besonders zeit- und ressourcenintensive Rechenaufgaben sollen an Quantencomputer ausgelagert werden, sagt Glätzle. Noch seien Quantencomputer nicht so weit, dass sie industrierelevante Probleme lösen könnten . Für Unternehmen sei es aber sinnvoll, früh Erfahrungen zu sammeln, um vorbereitet zu sein, wenn die Systeme leistungsstark genug seien. Anwendungsmöglichkeiten reichen von der Klimaforschung bis zur Entwicklung neuer Materialien für Batterien und die Luftfahrt bis hin zur Berechnung von Routen in der Logistik und der Medikamentenforschung. Industrie interessiert Das Interesse aus der Industrie an der Technologie habe jedenfalls zugenommen, sagt Glätzle. So zählen etwa die Europäische Weltraumagentur ESA, die Deutsche Bahn, der Rhein-Neckar-Hafen oder Airbus Defence zu den Kunden des Unternehmens. Auch mit den ÖBB testet man Anwendungsmöglichkeiten von Quantencomputern, etwa bei der Optimierung von Fahrplänen. Einen Markt für Quantencomputer gebe es noch nicht wirklich, so der Physiker. Für die Branche seien deshalb Staatsaufträge in der jetzigen Phase von entscheidender Bedeutung. AXEL GRIESCH FOTOGRAFIE info@ax Planqc-Gründer Alexander Glätzle Wann werden Quantencomputer tatsächlich nützlich sein? Das sei schwer vorauszusagen, sagt der Physiker. 2030 könnte es so weit sein. Um Industrierelevanz zu erreichen, brauche es 10.000 physische Qubits oder 100 logische fehlerbereinigte Qubits. Um tatsächlich bahnbrechende Probleme lösen zu können, seien eine Mio. physische Qubits oder 10.000 fehlerbereinigte Qubits notwendig. Der Quantenrechner von planqc, der ab 2027 im deutschen Leibniz-Rechenzentrum zum Einsatz kommen soll, wird über 1.000 Qubits verfügen. Bei Investitionen hinterher Im internationalen Vergleich bescheiden sind die Summen, die das Münchner Unternehmen bisher von Investoren bekommen hat. Zuletzt konnten 2024 bei einer Finanzierungsrunde 50 Mio. Euro eingesammelt werden. Das US-Unternehmen Psiquantum hat im Vergleich dazu im September eine Mrd. Dollar , also 20 Mal so viel, von Investoren erhalten. AXEL GRIESCH FOTOGRAFIE info@ax Planqc-Laboraufnahme Der globale Wettlauf bei der Technologie habe deutlich an Geschwindigkeit gewonnen, so Glätzle. In den USA und China würden unglaubliche Summen ausgegeben. Wenn Europa eine Chance haben wolle, müsse man die smartere Technologie auswählen, mit der mit wenig Kapital große Fortschritte gemacht werden könnten. Planqc setzt auf neutrale Atome als Qubits. Entwickelt wurde die Technologie an der Universität Innsbruck . Sie ist weit weniger kapitalintensiv, als etwa photonische Chips , die bei Psiquantum zum Einsatz kommen und neben Investitionen in die Chipproduktion auch hohe Summen für Rechenzentren benötigen. In Europa könne man zudem auf einen extrem starken Pool an Talenten aufbauen, so der Physiker. Auch in der Lieferkette sei der Kontinent gut aufgestellt. Laser, Photonik, Optik und Vakuumtechnologien bekomme man von europäischen Weltmarktführern: „Das ist ein großer strategischer Vorteil.“