Ein wassergrünes Seidenkleid hat Charlène Wittstock 2010 anonym in der Boutique von Akris in Monte Carlo gekauft. Kurz darauf war sie damit auf dem Verlobungsfoto mit Albert von Monaco II. zu sehen. Das Bild ging um die Welt und Charlène von Monaco und die Marke Akris sind seither eng verbunden. Die Fürstin kauft längst nicht mehr persönlich im Geschäft, sie wird für öffentliche Anlässe persönlich von Akris-Erbe und Kreativdirektor Albert Kriemler eingekleidet. Er schickt ihr vorab Skizzen mit Stoffproben, danach wird maßgeschneidert. Getty Images/Pascal Le Segretain/getty images Charlene in Akris 2018 Getty Images/Richard Bord/getty images Charlene und Albert Kriemler Kleider, um zu tanzen Umso überraschender scheint das poetische Kapitel in Kriemlers Schaffen – seine langjährige Zusammenarbeit mit dem Choreografen John Neumeier (Interview unten) . Seit ihrer ersten Kooperation für das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker 2006 gestaltet Kriemler Ballettkostüme, die weniger „Kostüme“ sind als echte, tragbare Kleidung für Tänzerinnen und Tänzer – ein Ansatz, der Neumeier begeistert: „Albert entwirft Kleider für Menschen, die tanzen.“ ORF/Thomas Jantzen Akris Lieblingsstoff Seide Jetzt, zwanzig Jahre später, kehrt Kriemler zurück zum Neujahrskonzert: Für die Balletteinlagen – darunter „Rosen aus dem Süden“ und die Diplomatenpolka – entwarf er leichte, fließende Kleider aus Seiden-Georgette. „Ich arbeite mit Schlitzen, plissierten Streifen und spiele mit Seide – ein Stoff, den ich mit 22 in der Hand hatte und seitdem nicht mehr losgelassen habe“, so Kriemler. Kunden sind Promis, Geschäftsfrauen, Politikerinnen Die Entwürfe des Designers sind zeitlos. Die Schweizer Edelmarke, die neben Hermès und Chanel eines der wenigen Luxushäuser in Familienbesitz ist, steht als Synonym für leisen Luxus und ist bekannt dafür, Geschäftsfrauen und Politikerinnen mit ihrer zurückhaltenden, aber dennoch zeitgeistigen Mode zu begeistern. Auch Michelle Obama orderte schon „Custom-made“. GC Images/Aeon/getty images Pamela Anderson in Akris - New York 2025 Indra Nooyi , die ehemalige Pepsi CEO, erzählte unlängst, dass ihr Kleiderkasten zu mehr als der Hälfte aus Akris-Stücken bestehe. „Wenn ich etwas Wichtiges vorhabe, greife ich automatisch zu Akris. Es ist Kleidung für Entscheidungen, nicht für Ablenkung.“ Auch Angelina Jolie setzte schon auf die legendären Akris-Anzüge, ebenso wie Susan Sarandon oder Kamala Harris . Selbst in der Hitserie „House of Cards“ trug die First Lady der USA – gespielt von Robin Wright – vorzugsweise das Schweizer Label. Privat wurde Wright danach zum Kriemler-Fan. EPA/SEBASTIEN NOGIER Robin Wright in Akris In den USA ein Hit ab den Achtzigern In den USA ist die Marke durch Max und Ute Kriemler bekannt geworden, die 1922 von Alberts Großmutter Alice gegründet wurde – als Atelier für Schürzen. Doch Alberts Mutter Ute war es, die in den 1980er-Jahren mit ihrem stilvollen Auftreten für den weltweiten Erfolg sorgte und Akris im Bergdorf Goodman und an anderen Luxusadressen platzieren konnte. Subtile Eleganz Heute beläuft sich der Umsatz der Firma mit Sitz in St. Gallen und 300 Mitarbeitern auf knapp 100 Millionen Euro (Stand 2022). Statt auffälliger Logos oder modischer Eintagsfliegen setzt man stets auf subtile Eleganz: feinstes Doubleface-Gewebe, klar definierte Schnitte und hohes Materialverständnis. Die Kleider sollen Präsenz schaffen, ohne zu schreien. So wie seine Entwürfe agiert auch der Kreativchef selbst: Die großen PR-Auftritte braucht er nicht, unter den Menschenmassen nach seinen Modeschauen wirkt der 65-Jährige fast scheu. Auch Interviews gibt er nur selten und über prominente Kunden spricht Kriemler ohnehin nicht. Dann schon lieber über Kunst, Architektur und kulturelle Anlässe. Interview Am 1. Jänner werden seine Entwürfe für das Staatsballett von Millionen TV-Zuschauern auf dem Neujahrskonzert bewundert (ab 11:15 Uhr, ORF 2). Albert Kriemler, Schweizer Kreativchef von Akris, sein Bruder Peter leitet die Finanzen, erzählt im Gespräch über Herausforderungen an die Kostüme und sein kulturelles Highlight der letzten Jahre. Wie sah der Arbeitsprozess mit dem Choreografen John Neumeier aus? Sie kennen sich schon aus anderen Kooperationen. Gab es ein Bewegungsmotiv, eine Szene oder ein Gefühl, das für Sie beide leitend war? Albert Kriemler : Wir kennen uns jetzt seit 20 Jahren, unsere Zusammenarbeit begann hier in Wien beim Neujahrskonzert 2006. Diese neue Produktion ist also für uns beide ein sehr persönlicher Moment. Über die Jahre ist daraus ein ganz natürlicher, fließender Arbeitsprozess geworden. Wenn John mich anruft, steht die Musik meist schon fest. Dieses Mal hat er sich für den Walzer lange Kleider und für die Diplomaten-Polka Anzüge gewünscht. Ich bringe dann erste Ideen zu Stoffen und Formen mit, und gemeinsam reduzieren wir alles auf die Essenz. John versteht genau, welche Kraft ein Kleid haben kann. Für mich wiederum bleibt es faszinierend, moderne Kleider zum Tanzen zu entwerfen – das Ballett in eine neue Form zu kleiden. Welche Anforderungen stellt ein Ballettkostüm an Material und Schnitt im Vergleich zur Runway-Mode? Diese absolute Funktionalität für die Tänzerinnen und Tänzer bereitzustellen, das hat mich von Anfang an gereizt. Gerade beim Ballett spielt der Stoff eine enorme Rolle, ob er steht oder fließt, wie er sich mit dem Körper bewegt. Hauptsache, er ist leicht. Ich bringe oft architektonische Ideen, grafische Akris-Ideen ein, die ich an den Tanz anpasse. Die besonderen Schnitte mit Schlitzen, Falten, Asymmetrien sorgen für überraschende Looks, für Bewegungsfreiheit und Passform zugleich. Wie haben Sie Wien bisher erlebt – die Stadt, die Musik, die Tradition, auch rund um das Neujahrskonzert? Wie man es in dieser Stadt schafft, das reiche, umfassend kulturelle Erbe lebendig zu halten, das ist schon wirklich beeindruckend. Geschichte begegnet einem hier überall, und gleichzeitig wirkt alles erstaunlich nahbar und selbstverständlich. Diese gelebte Tradition zeigt sich besonders rund um das Neujahrskonzert. Und dass am Neujahrsmorgen Menschen in über 150 Ländern vor dem Fernseher sitzen und dieses Konzert verfolgen – das schafft tatsächlich nur Wien. Ganz persönlich: Was bedeutet Ihnen Österreich, jenseits der Bühne? Österreich bedeutet für mich vor allem eine tiefe Verbindung zu Kunst und Handwerk. Besonders die Wiener Werkstätte, mit ihrem kompromisslosen Anspruch an Gestaltung, an Klarheit und daran, Kunst und Alltag miteinander zu verbinden. Genau das begleitet mich bis heute in meinem Designprozess. Eine meiner letzten Sommerkollektionen war übrigens von der Wiener-Werkstätte-Künstlerin Felice Rix-Ueno inspiriert. Sie designen für Frauen, die keine große Show brauchen. Was reizt Sie an dieser Zurückhaltung? Die Frauen, für die ich entwerfe, brauchen keine große Show, weil ihre Präsenz bereits für sich spricht. Diese Haltung spiegelt sich auch in meinen Entwürfen wider: Für mich bedeutet die Kunst der Zurückhaltung, alles Überflüssige wegzulassen, damit die Essenz umso klarer sichtbar wird. Meine Designs werden oft als minimalistisch beschrieben, aber das greift zu kurz. Akris bedeutet für mich Essenz, nicht Reduktion – es geht darum, mit Form und Stoff den Menschen ins Licht zu setzen. Man hat das Gefühl, in der Modewelt wird alles immer schneller und bombastischer. Wie kann es weitergehen? Ich glaube, man merkt schon jetzt, dass es nicht mehr reicht, wenn etwas nur groß, teuer oder selten ist. Wir beobachten eher, dass Substanz wieder wichtiger wird. Es geht weniger um immer neue Superlative, sondern um Ideen, die wirklich durchdacht sind – um Handwerk und Haltung. Handwerk ist die Grundlage jeder Kreativität. Wie sich daraus etwas Modernes, Frisches entwickeln kann – das ist unsere Aufgabe. Sie gelten als kulturaffin, hatten Sie ein kulturelles Highlight in den letzten Jahren? Christian Spucks „Messa da Requiem“ am Opernhaus Zürich: ein überwältigendes Zusammenspiel aus Musik, Tanz, Raum und Licht. Nie hätte ich gedacht, dass man Verdis großes Werk tanzen kann. Wenn es das Familienunternehmen Akris nicht gegeben hätte und Sie kein Modemacher wären, welchen Beruf könnten Sie sich dann vorstellen auszuüben? Dann wäre ich sicherlich Architekt geworden. Mein Onkel hat mich schon früh auf Reisen mitgenommen. Er war Architekt in Essen und spezialisiert auf die Revitalisierung von Industriebauten. Die Auseinandersetzung mit der Geschichte und diese mit dem Jetzt zu vereinen, hat mich schon immer fasziniert. ORF/Thomas Jantzen John Neumeier mit Albert Kriemler