Mario Adorf wird 95: "Es gab heuer einen Punkt, an dem ich dachte: Das langt jetzt"

Mit einer Rolle hat Mario Adorf Fernsehgeschichte geschrieben: "Ich scheiß dich sowas von zu mit meinem Geld, dass du keine ruhige Minute mehr hast", sagt er im breitesten Dialekt als stinkreicher rheinischer Kleberfabrikant Heinrich Haffenloher in Helmut Dietl s Kultserie "Kir Royal". Doch ihn auf diesen Part zu reduzieren, wäre zu wenig. Am 8. September wird er 95 Jahre alt. Adorf ist einer der großen deutschen Schauspieler und spielte in actionreichen Westernfilmen ebenso mit wie im sozialkritischen Neuen Deutschen Film oder in Komödien. Mit 95 Jahren kann er auf eine beachtliche Reihe von Rollen zurückblicken, im Film ebenso wie auf der Bühne. "Mein Leben ist von allem etwas..." Seine persönliche Geschichte sei keinem Genre zuzuordnen, sagt Adorf jetzt im Interview mit der Zeitschrift Hörzu. "Mein Leben ist von allem etwas, aber keine Tragödie. Das Genre ist mehr auf der Seite zwischen Komik und Drama." "Mein Vater sprach kein Deutsch und ich kein Italienisch" E r sei "ziemlich früh auf mich allein gestellt", gewesen, so Adorf. Seine Mutter habe viel gearbeitet hat, "im Krieg die Schneidermeisterprüfung gemacht". Als Inhaberin eines kleinen Ateliers habe ihr die Zeit gefehlt, "um mich zu erziehen", was einen Aufenthalt im Waisenhaus zur Folge hatte. "Aber ich mochte sie sehr, und ihr Tod und ihr Sterben waren für mich wichtig und unvergesslich. Als sie starb, habe ich ihre Hand gehalten. Ich habe den Vorgang allerdings – wenn man so will – als Schauspieler betrachtet und bei ihrem Sterben weder Trauer noch Schmerz empfunden. Der kam erst später." Seinen Vater - ein italienischer Chirurg - habe Adorf nur ein Mal gesehen, bestätigt Adorf im Hörzu -Interview: "Damals brauchte ich einen monatlichen Scheck für die Immatrikulation an der Uni Zürich. Mein Vater sprach allerdings kein Deutsch und ich kein Italienisch. So kam es, dass wir nur ein paar Fetzen Latein miteinander wechselten, und das war’s. Denn er verwies mich an einen mit ihm verwandten Rechtsanwalt und ließ mir von diesem die Schecks garantieren. Es war eine merkwürdige Begegnung." Schwere Zeiten Eine große Feier plane er zum anstehenden 95er nicht. "Es wird, wie in den letzten Jahren auch, einfach ein schönes Abendessen mit acht, maximal zehn Personen. Mehr nicht." Frühere Aussagen, wonach er keine Angst vor dem Sterben habe, revidierte er im aktuellen Interview: "Da muss ich vielleicht doch ein bisschen korrigieren. Die Erfahrung, die ich dieses Jahr gemacht habe, war schon sehr negativ (...) Es gab einen Punkt, an dem ich dachte: 'Das langt jetzt.' Da hätte ich eigentlich gerne losgelassen." "Es war eigentlich ein Misserfolg" Die Karriere des jungen Mannes aus dem rheinland-pfälzischen Mayen hatte einst holprig begonnen. Beim Vorsprechen an der Otto Falckenberg-Schauspielschule war Adorf nämlich von der Bühne gestürzt. "Es war eigentlich ein Misserfolg", gibt er im Dokumentarfilm "Es hätte schlimmer kommen können" an. Der damalige Kammerspiel-Intendant war trotzdem neugierig geworden. "Er hat zwei Dinge, die mir aufgefallen sind: Er hat Kraft und Naivität", nannte Adorf ein Zitat Hans Schweikarts, das ihm später überliefert wurde. 1953 startete Adorf also an der Schule und traf dort den legendären Schauspieler und Regisseur Fritz Kortner , der ihn stark beeindruckte. Bis 1962 blieb er an den Kammerspielen. Seinen Durchbruch vor der Kamera hatte er bereits 1957, als Frauenmörder in Robert Siodmak s Krimi "Nachts, wenn der Teufel kam". Viele Rollen folgten. In Volker Schlöndorff s oscarprämierter Literaturverfilmung "Die Blechtrommel" war er Vater Matzerath. In Rainer Werner Fassbinder s Wirtschaftswunder-Satire "Lola" gab er den Baulöwen Schuckert und für Helmut Dietl trat er als Promi-Wirt in der Gesellschaftssatire "Rossini - oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief" auf. Und er drehte mit berühmten Regisseuren wie Claude Chabrol oder Billy Wilder . Auch in zahlreichen Mafia-Filmen und Western spielte er mit, darunter viele Italo-Western, sowie in dem Karl-May -Film "Winnetou 1", wo er als Schurke Santer zu sehen war. Auch ans Theater zog es ihn zwischendurch immer wieder. Im französischen Nobelort Saint-Tropez lernte der Schauspieler seine spätere Ehefrau Monique kennen, die mit der legendären Brigitte Bardot befreundet war. "Ich hatte zuerst nur Augen für die Bardot", gab Adorf später zu. Doch dann fiel ihm irgendwann Monique auf, ihre Lebendigkeit. "Und da begann die ganze Geschichte zwischen uns." Eine Liebe, die auch Jahrzehnte später noch halten sollte, anders als die Kurzbeziehung zur mittlerweile verstorbenen Schauspielerin Lis Verhoeven , mit der er die Tochter Stella-Maria hat, ebenfalls eine Schauspielerin. Ob man Mario Adorf noch einmal in einem Film sehen wird? Im Hörzu -Gespräch legt er sich nicht fest, meint aber: "Ich bin ohne jeden Ehrgeiz in dieser Richtung - und ohne jede Hoffnung. Ich müsste mir sehr genau überlegen, ob ich es physisch überhaupt noch schaffe. Aber es muss nicht sein."