Vespa-GTV: Kultiviertes Kraftpaket mit Hang zum Italo-Kitsch

„Das ist aber eine komische Stupsnase“: Die geschätzte Freundin hat zwar wenig Sinn für Mobilität auf zwei Rädern, dafür aber umso mehr für Design - und genau der stimmt sie beim Anblick der neuen Vespa GTV 310 etwas skeptisch. „ Pontevedra 8 “ ist quasi der Künstlername des Rollers zum Vespa-Jubeljahr. 80 wird der Roller heute - und der Name, der selbst erfahrene Vespisti ins Grübeln kommen lässt, hat genau mit diesem Jubiläum zu tun. So hieß die Werkshalle in der damaligen Piaggio-Fabrik in der Nähe von Pisa, in der vor 80 Jahren die erste Vespa gebaut wurde. Und die hatte eben ihren Scheinwerfer dort unten auf dem Kotflügel, wo ihn die Rollerbauer jetzt wieder hingesetzt haben. Nostalgie-Ausstattung Das ist ein rührendes Spiel mit der Nostalgie, bedingt aber auch, dass Vespa auch anderorts bei seinem erfolgreichsten Modell einiges herumbasteln musste - und diese Basteleien sind ziemlich kühn. Denn sitzt der Scheinwerfer unten, kommt dort, wo er sonst seinen Platz findet, auf dem Lenker, ein Plastikschild hin. Dazu gibt es Rennspiegel , wie sie sich sonst nur besonders forsche Vespa-Fahrer an den Lenker schrauben und ein Armaturenbrett, das - im scharfen Kontrast zum Nostalgie-Scheinwerfer - ganz auf Techno-Look setzt. Die legendäre Vespa aus dem Jahr 1946 haben wohl nur noch die Allerwenigsten durch die Straßen rollen gesehen. Altgediente Vespa-Fans, die inzwischen auch schon vor dem Pensionsantritt stehen, haben sich ihre ersten Erfahrungen mit Kickstarter und Schaltgriff wohl eher in den 1970ern gemacht, also mit ganz anderen Modellen. Die Stupsnase auf dem Kotflügel wird also nur sehr selten für Erinnerungen an die eigene Jugend sorgen. Muss sie auch nicht. Denn egal, ob einem diese Jubiläums-Vespa mit ihren metallenen Zierelementen und ihrem stahlblauen Lack nun gut gefällt, oder eben nicht, man bekommt auf jeden Fall einen Motorroller, dem man in jedem Detail anmerkt, wie perfekt ausgereift und durchdacht er ist. Mehr als 15 Jahre baut Vespa inzwischen das wohl erfolgreichste Modell in der Geschichte der Firma - die 300er , so nennt man sie ja üblicherweise. Sie ist mit ein paar sanften Modernisierungen in die Jahre bekommen, im besten Sinn des Wortes. Vespa/Piaggio Den Beinamen "Pontevedra 8" hat die GTV von der ursprünglichen Werkshalle für Piaggio-Modelle in der Nähe von Pisa. Schnell und sanft Zuletzt hat man dem Motor noch einmal zehn Kubikzentimer Hubraum und ein paar PS mehr gegönnt. Der Kraftzuwachs macht sich auf wunderbar entspannte Weise bemerkbar. So als hätte man mit der 310er noch einmal einen Hauch mehr Wind in den Segeln - also an der Kreuzung. Auch Fahrwerk und Bremsen, inklusive all der zeitgemäßen elektronischen Unterstützung, erzeugen ein lückenlos angenehmes Fahrgefühl. Dem Roller fehlt es in keinem Moment an Kraft, oder Beschleunigung, und das ohne sich jemals damit wichtig zu machen. Bei dieser Vespa muss man nie verzweifelt am Gasgriff hängen, so wie einst, als man stolz zum ersten Mal die Freundin ausführen wollte und schon nach der ersten Kreuzung der letzte in der Moped-Gang war.