Elefantenbaby in Schönbrunn: Erste Schritte eines kleinen Draufgängers

Als der Star die Bühne betritt, wird es plötzlich ganz still im Raum. Kein Lachen, kein Plaudern; sogar die übermütigsten Kinder stellen das Herumturnen am Geländer ein. Alle staunen und zücken die Handys. Nach ein paar Sekunden hört man von allen Seiten: „Ach, ist der süß!“ Der (verhältnismäßig) Kleine, der für so große Ergriffenheit sorgt, ist erst wenige Tage alt: Es ist der Elefantenbulle, der am 20. August im Tiergarten Schönbrunn zur Welt kam. Gemeinsam mit Mutter Numbi beginnt er, das Gehege zu erkunden. Mittags hat man gute Chancen, ihn in der Außenanlage zu sehen, nachmittags ist er meist im Innenbereich. Wenn er auftaucht, drängen sich die Zuschauer am Geländer, verfolgen jede Bewegung des Kleinen. Freilich, aller Anfang ist schwer: Nach ein paar tapsigen Schritten stolpert er über einen Baumstamm. Das sorgt für ein kollektives „Ooooh!“ im Publikum. Sogleich ist Mama Numbi an seiner Seite und hilft ihm mit ihrem Rüssel wieder auf die Beine. „Manche Jungtiere sind schüchtern. Er nicht, er ist sehr quirlig“, schildert Folko Balfanz , Kurator und stellvertretender Direktor im Zoo Schönbrunn. „Man könnte sagen: Er ist ein richtiger kleiner Draufgänger.“ Prominente Vorgänger Und die Chance, einen Draufgänger bei seinen ersten Gehversuchen zu beobachten, hat man schließlich auch in einem großen Tiergarten wie Schönbrunn nicht alle Tage. 2001 kam der kleine Abu hier zur Welt – der erste Elefant Europas, der durch künstliche Besamung gezeugt wurde. Vier Jahre darauf kam es zu einem tragischen Unfall, ein Pfleger wurde beim Duschen von dem Tier erdrückt. Einige Jahre lebte Abu im Zoo Halle in Deutschland, 2023 kam er zurück nach Wien. 2013 wurde Elefantenkuh Iqhwa geboren; das weltweit erste Elefantenbaby, das mit – für den Transportweg gefrorenem – Sperma eines Wildbullen gezeugt wurde. Iqhwa ist Suaheli und bedeutet „Eis“: Der Samen des Elefantenvaters war gefroren vom Kruger-Nationalpark in Südafrika nach Wien transportiert worden. Im Juli 2019 kam Kibali zur Welt: Sie war das Vorbild für den sprichwörtlichen „Babyelefanten“ (1,5 Meter Abstand) während der Pandemie. Traurigerweise verstarb Kibali 2021 an Herzversagen. Trinken und schlafen Zur großen Freude und Erleichterung des Teams ist der jüngste Nachwuchs gesund und wohlauf. 22 Monate war Mutter Numbi trächtig, stattliche 100 Kilogramm wog das Baby bei der Geburt. „Nach zehn Minuten ist er schon auf eigenen Beinen gestanden“, beschreibt Balfanz. „Und er trinkt und schläft sehr gut.“ Gezeugt wurde der Kleine übrigens auf natürliche Weise: „Elefantenkühe haben alle drei bis vier Monate einen Eisprung. Den haben wir mittels Hormonmessung festgestellt“, erklärt Balfanz. Vater ist Bulle Abu. Die Geburt fand gegen 5 Uhr früh im hinteren Teil der Außenanlage statt. „Das Muttertier konnte sich zurückziehen, die Geburt geschah aber im nahen Beisein der Herde“, so Balfanz. Das gemeinsame Erleben der Geburt stärke das Sozialgefüge in der Herde. Die Herzen des Publikums hat der Babyelefant jedenfalls erobert. „Alle unsere sechs Elefanten sind wichtige Multiplikatoren“, sagt der Kurator. „Wenn wir die Menschen für die Tiere begeistern, können wir sie auch dazu bringen, die Tiere zu schützen.“ Was übrigens alle im Publikum interessiert: Hat der Kleine schon einen Namen? „Momentan nennen wir ihn ,Kälbchen‘“, sagt Balfanz. Entscheiden werden die Tierpfleger: „Sie wählen einen Namen, der zum Charakter passt.“ Oft werden die Tiere auch nach Bergen oder Flüssen in ihrer Herkunftsregion genannt. Ein Teenager-Mädchen im Publikum hat schon einen Vorschlag: „Jumbo würde gut zu ihm passen.“