Der Sommer geht, das Unbehagen über die Politik bleibt. Es nährt sich aus dem Bewusstsein, dass die Regierenden aus vielerlei Gründen nicht das Richtige tun können: aus Koalitionsräson, aus Rücksicht auf die eigene Parteiklientel, wegen weltfremder EU-Auflagen und Gerichtsurteilen, aus Angst vor rabiater Opposition und Wählerbestrafung. Damit verlieren die Regierenden Profil – nicht nur in Österreich. Im letzten und auch im jetzigen Regierungsprogramm fehlt ein strikter Pfad, stattdessen bekam jede Partei ihre eigene Spielwiese. Damit überließ man den Grünen – Stichwort: „Das Beste aus zwei Welten“ – allerlei Klimaaktionismus: zum Beispiel ein Flaschenpfand, parallel zu bisherigen Sammelsystemen, das übrigens den Supermarkteinkauf auch verteuerte; Golden Plating bei der„Klimaneutralität“ – die EU schreibt dieses Ziel ab 2050 vor, Österreich will es schon ab 2040 erfüllen; verpflichtender Austausch von Ölheizungen, was hohe Kosten für den Vermieter bedeutet und daher auch auf die privaten, noch nicht regulierten Mieten durchschlagen müsste. Das wiederum versucht jetzt der sozialdemokratische Vizekanzler zu verhindern und bedient damit gleich das alte rote Hausherren-Feindbild der 1920er-Jahre. Andreas Babler vergisst dabei, dass auch viele Mittelverdiener in Vorsorgewohnungen investiert haben, um einmal ihre Pensionslücke zu schließen. Das Bauen hat sich außerdem massiv verteuert. Im Verein mit stark regulierten Mieten bremst das den Wohnungsneubau und die (thermische) Sanierung. Ganz zu schweigen davon, dass der Linkspopulismus die allgemeine Investitionsbereitschaft senkt. So hat ja auch der SPÖ-Finanzminister über Lebensmittelpreiseingriffe nachgedacht. Die ÖVP schweigt zu all dem, dabei steht sie doch theoretisch für Eigentum, soziale Marktwirtschaft, mündige Bürger. Übrig geblieben ist eine schrumpfende Beamten- und Bauernpartei, was wiederum dazu führt, dass diese weder den zu hohen (auf zwei Jahre abgeschlossenen!) Beamtenlohnabschluss anzutasten wagt, noch die absurde Gegnerschaft zum Freihandelsabkommen Mercosur mit Südamerika aufgeben kann. (Mit wem will man eigentlich noch Handel treiben, nachdem Russland ausgefallen und Amerika ein unsicherer Kantonist geworden ist?) Bundeskanzler Christian Stocker ist ein glaubwürdiger, pragmatischer „Anwalt der Republik“, aber die ÖVP schwächt auch in dieser Regierung weiter ihren Markenkern. Dabei hätte sie theoretisch mit Neos einen Partner mit ähnlicher Ideologie an ihrer Seite. Die einstigen bürgerlich-liberalen Hoffnungsträger sind nur Mehrheitsbeschaffer für Rot (in Wien) und in der Koalition im Bund. Der Preis der (Ohn-)Macht. KURIER KURIER-Herausgeberin Martina Salomon