Von Gernot Heigl Eine Südburgenländerin im besten Alter. Lebensfroh, mit langen blonden Haaren, eingebettet in ein funktionierendes Familienleben und mit Freude im Job als mobile Hauskrankenpflegerin unterwegs. Gesundheitlich sorgenfrei, auch eine Routine- Mammografie im Jänner 2021 war negativ. Alles schien perfekt. Bis sie fünf Monate später, beim Abtasten in der Badewanne, auf der rechten Brustseite einen erbsengroßen Knoten bemerkte. „Da meine Mutter im Alter von 39 Jahren Brustkrebs hatte, bin ich am nächsten Tag sofort zum Hausarzt“, schildert Bettina G. aus Stinatz . Zahlreiche Facharztuntersuchungen später bekam sie die vermeintlich gute Nachricht, dass dieses Vier-Millimeter-Knötchen von den Milchdrüsen komme und normal sei. Durchatmen bei der Südburgenländerin. Die Hiobsbotschaft Bis sie beim neuerlichen Selbstabtasten Ende April 2022 an derselben Stelle eine größere Verhärtung bemerkte. Nach Mammografie, Ultraschall, MRT-Aufnahmen und Biopsie (Gewebeprobe) gab es eine Besprechung. „Als die Ärztin sagte, ich solle meinen Mann aus dem Wartezimmer hereinholen, ahnte ich Böses.“ Die Frau weiter: „Bis dahin habe ich gehofft, doch dann kam die Schreckensnachricht: Brustkrebs.“ Gernot Heigl Bettina G. heute. Die Krankheit hat sie hinter sich gelassen. „Diese Botschaft zog mir den Boden unter meinen Füßen weg. Ich stürzte emotional in ein tiefes Loch und begann bitterlich zu weinen. Meine Gedanken kreisten um die Frage: Warum muss mir das passieren?“, so die Stinatzerin. „In diesem Moment war mir klar, dass sich mein Leben gravierend verändern wird.“ Zu Hause erzählte die Frau am Küchentisch ihren beiden Kindern, zehn und 17 Jahre alt, von ihrer Erkrankung. „Einer meiner schlimmsten Momente.“ Am 26. Juli kam es im AKH Wien zur Operation . „Da wurde auch gleich ein zweiter, kleiner Tumor entfernt. Zwei Wochen später folgten über einen Zeitraum von sechs Monaten insgesamt 16 Chemo-Behandlunge n – die Hölle“, schildert die Südburgenländerin. „Ich hatte zwischenzeitlich 40 Grad Fieber und Schüttelfrost. Deshalb war ich auch drei Tage im Spital. Permanent kämpfte ich mit Übelkeit, hatte furchtbare Schmerzen und konnte daher kaum essen. Lange Zeit wollte ich nicht mehr aus dem Bett.“ „Ich werde kämpfen“ „Ja, da gingen mir auch der Tod und das Sterben durch den Kopf“, erinnert sich Bettina G. „Ich dachte schon über mein Begräbnis nach, die Farbe meines Sarges, welche Blumen ich mir am Friedhof wünsche, was auf meinem Partezettel stehen soll. Doch dann habe ich mir einen Ruck gegeben, meine Krankheit akzeptiert und sogar begonnen, mit meinem Tumor zu sprechen. Ich habe ihm gesagt, dass ich gegen ihn kämpfen werde.“ Offen ging die Frau mit ihrem Haarausfall um, zeigte sich im Ort ohne Perücke und veröffentlichte sogar Fotos mit Glatze auf Facebook. All das schildert Bettina G. im KURIER-Gespräch erstaunlich gefasst, ehe sie bei einer gut gemeinten Botschaft an Außenstehende emotional wird: „Wenn man krank ist, will man weder bedauert werden noch Mitleid bekommen, sondern Ablenkung oder ein offenes Gespräch über den aktuellen Zustand. Ich habe aber unter anderem gehört, dass man für mich in der Kirche beten wird. Solche Aussagen sind definitiv kontraproduktiv.“ Der Neustart Im Juni 2023 bekam die Südburgenländerin „endlich die gute Nachricht, dass ich den Brustkrebs besiegt habe. Bis dato sind alle Untersuchungen negativ. Es schaut gut aus.“ Nach einem kurzen Seufzer meint die Frau: „Ich habe mich ins Leben zurückgekämpft, stehe kurz vor der Abschlussprüfung zur Pflegeassistentin und absolviere gerade meine Praxis im Krankenhaus Güssing. Mein Ziel ist es dann, noch die Fachausbildung zu machen.“ Als sich Bettina G. schließlich durch ihr nachgewachsenes, schulterlanges Haar fährt, sagt sie nachdenklich: „Auch das fühlt sich wieder gut an. Früher hatte ich ganze Haarbüschel in meinen Händen. Blöderweise hat das zwei Wochen vor dem Maturaball meiner Tochter begonnen, da musste mir eine Perücke helfen.“ Mit Tipps aus ihrer leidvollen Eigenerfahrung heraus will die Südburgenländerin nunmehr alle Frauen unterstützen , die ebenfalls eine Krebsdiagnose erhalten haben. So meint sie unter anderem, dass man das Angebot psychologischer Hilfe unbedingt annehmen soll. „Ich habe das auch gemacht. Das ist sehr hilfreich im Verarbeitungsprozess. Dafür braucht man sich nicht zu schämen.“ Im Haushalt „soll man nach Möglichkeit weiterhin anpacken. Denn ein Tagesablauf ist wichtig, so wie auch vor der Erkrankung. Sich hängen zu lassen ist der falsche Weg.“ Ratsam sei es zudem, „den Krebs anzunehmen, damit offen umzugehen und ja nicht zu verleugnen“. Punkto Früherkennung lautet ihre Empfehlung: „Nicht nur auf die Mammografie verlassen, sondern auf alle Fälle einmal im Monat selbst abtasten. Das dauert nur fünf Minuten.“ Abschließend meint die Südburgenländerin : „Gerade in so einer trostlosen Situation darf man den Humor nicht gänzlich verlieren und soll auch mal lachen“, ehe sie hinzufügt: „Mut bedeutet nicht, dass du keine Angst hast. Mut bedeutet, dass du dich von der Angst nicht abhalten lässt.“