Erstes Gehalt: Der perfekte Plan, um später viel Geld zu haben

Das erste Gehalt so richtig auf den Kopf hauen, die finanziellen Freiheiten ausschöpfen und sich bei jeder Ausgabe denken: „Was kostet die Welt?“ Ein nachvollziehbarer Zugang, schließlich soll sich die Arbeit nach langer Ausbildung auch lohnen. Nur kommt man von diesen Ausgaben schwer wieder runter, warnt Sonja Ebhart-Pfeiffer. Seit über 25 Jahren berät die Finanzexpertin u. a. junge Menschen in ihrem Umgang mit Geld. „Viele haben das Gefühl, lange Zeit im Mangel gelebt zu haben“, erzählt sie. Wer sich dann mit dem ersten Einkommen zu viel gönnt, läuft Gefahr, sich diesen Lebensstil einzuprägen und als normal einzustufen. Finanzberater Florian Märzendorfer nennt das „Lifestyle-Inflation“ und weiß: „Es tut richtig weh, wenn man das wieder zurückschrauben muss.“ Denn irgendwann kommt das Bewusstsein: Man hätte sparen sollen – und zwar nicht nur für die Pension . Die erste Wohnung einrichten oder kaufen kostet Geld. Und auch wer unabhängig sein will, braucht Reserven. Ohne konkreten Finanzplan bleibt gerade in den ersten Berufsjahren womöglich viel Geld auf der Strecke, das später von großem Nutzen hätte sein können. Deshalb hat der KURIER gemeinsam mit den beiden Profis einen Finanzleitfaden ab dem ersten Gehalt erstellt. Mit klaren Faustregeln, die sich individuell einsetzen lassen und einem Notfallplan, falls die Reserven doch einmal aufgebraucht sind. Keine gute Idee: Die 50-30-20-Regel Wer sich einen Sparplan zurechtlegen will, stößt in der Recherche schnell auf die 50-30-20-Regel . Bei diesem Konzept fließen 50 Prozent des Nettoeinkommens in die Fixkosten, 30 Prozent in persönliche Ausgaben (Lifestyle, Hobbys, Restaurantbesuche) und 20 Prozent ins Sparen und Investieren. „Das ist nicht schlecht als Herangehensweise aber mir persönlich viel zu breit“, sagt Florian Märzendorfer. „20 Prozent sparen kann viel, aber auch wenig sein, das kommt auf die persönliche Situation an.“ Anders gesagt: Wer ein Gehalt bezieht und noch bei den Eltern wohnt, wird keine 50 Prozent für Fixkosten benötigen und somit deutlich mehr sparen können. Wer alleine zur Miete wohnt, könnte mit seinen Fixkosten schon ins Straucheln kommen. Ebhart-Pfeiffer empfiehlt deshalb, sich zuerst einen Überblick zu verschaffen – über Fixkosten und variable Ausgaben (mehr Tipps im Infokasten) . Bleibt gar kein Geld zum Sparen übrig, liege die Lücke fast immer im Konsum. „Dann wird für Schnickschnack zu viel ausgegeben“, sagt sie bewusst überspitzt. „Hier muss man genau hinschauen“ – egal ob es sich um ein Lehrlingseinkommen handelt oder um das erste Gehalt nach dem Uni-Abschluss. Ein bisschen sollte sich immer weglegen lassen. Nur wie viel und wohin? Und wann darf man auf das Geld zugreifen? Schritt eins: Der Notgroschen Wer bei null startet, beginnt mit dem Notgroschen , also der eisernen Reserve. Die liegt meist zwischen drei und zwölf Nettomonatsgehältern – es kommt darauf an, womit man sich wohlfühlt. Alles, was sich weglegen lässt, fließt zuerst dort hinein. „Je nachdem, wie hoch die Ausgaben sind, ist der Notgroschentopf schneller oder langsamer gefüllt“, sagt Märzendorfer. Länger als ein Jahr brauche es für gewöhnlich nicht, so der Profi. Wo der Notgroschen gebunkert ist? Meist auf dem (fast nullverzinsten) Sparkonto, auf das sich schnell zugreifen lässt. „Die Verfügbarkeit ist wichtiger als der Ertrag“, ordnet Ebhart-Pfeiffer ein. Ist Schritt eins abgehakt, geht es in die nächste Phase. Nur will von dieser kaum jemand hören, der gerade erst in den Job eingestiegen ist. Schritt zwei: Das langfristige Sparziel Begeisterungsstürme löst die Pensionsvorsorge keine aus. Vernachlässigen sollte man sie trotzdem nicht. Je früher man beginne, desto mehr macht sie sich bezahlt, ermutigen die Experten. „Bei der Pensionsvorsorge zählt jedes Jahr. Der Unterschied ist riesig, ob ich mit 20 oder 30 starte“, erklärt Ebhart-Pfeiffer, die ihren jungen Kunden immer gerne den Zinseszins-Effekt vor Augen führt. „Das sind wirklich große Summen, die unterschätzt jeder.“ Konkret sollen laut den Experten rund zehn Prozent (Märzendorfer spricht von acht bis zwölf Prozent, Ebhart-Pfeiffer von zehn Prozent) vom Nettogehalt in die langfristige Anlage fließen. Ausgenommen sind das 13. und 14. Gehalt, die dienen als Puffer und sind bei allen Sparplänen ausgegliedert. „Fühlt man sich wohl mit dem Betrag, passt es. Hat man von Beginn an Bauchweh, lieber mit der Summe runtergehen“, rät Märzendorfer. Denn ist die Pensionsvorsorge erst einmal abgeschlossen, sollte sie nicht mehr angegriffen werden – außer wenn sie aufgestockt werden soll. „Es sollte nach dem Motto ’pay and forget’ laufen“, so Ebhart-Pfeiffer, also bezahlen und vergessen. Den Sparbetrag daher immer realistisch ansetzen. Ihn nachher reduzieren könnte teuer kommen, schließlich fallen die Gebühren, etwa bei fondsgebundenen Lebensversicherungen , oft am Anfang der Laufzeit an. Wer sich diese Kosten sparen will und deshalb die Pensionsvorsorge im Alleingang mit einem Aktiendepot erledigt, sollte vorsichtig sein, sagt Ebhart-Pfeiffer. Die Verlockung sei groß, Geld wieder zu entnehmen. Außerdem könnte man auch bei konservativen Anlageprodukten in trendige Produkte wie ETFs investieren, sagt Märzendorfer. „Das wissen viele nicht.“ Das Wichtigste bei der Pensionsvorsorge ist die lange Laufzeit. Die macht es möglich, einen hohen Aktienanteil zu fahren, woraus historisch betrachtet die beste Rendite entsteht. Ein Beispiel gibt es später im Artikel. Doch zuvor folgt ein weiterer Kostenpunkt, der Florian Märzendorfer besonders am Herzen liegt. Schritt drei: Persönliche Absicherung Drei bis sechs Prozent des Nettogehalts sieht Märzendorfer nämlich in der persönlichen Absicherung. Die zählt er zu den monatlichen Fixkosten und nicht als Sparform. „Mir bringt das ganze Sparen nichts, wenn ich versicherungstechnisch etwas übersehe und dann einen Fall habe, wo ich 100.000 Euro zahlen muss“, sagt er. Sein „must have Triumvirat“ an Versicherungen : Haushalt, Unfall und Berufsunfähigkeit, „weil die können existenzbedrohend werden.“ Erst wenn Notgroschen, Versicherungen und Pensionsvorsorge erledigt sind, geht es in den letzten Spartopf. Die mittelfristige Anlage, die besonders motiviert, weil man auf sie zugreifen darf. Schritt vier: Mittelfristiges Sparziel Zehn bis 15 Prozent des Nettoeinkommens (je nachdem wie es sich mit den Fix- und Lifestyle-Kosten ausgeht), sieht Märzendorfer im mittelfristigen Spartopf. Dieser ist für größere Ziele und Anschaffungen: eine Immobilie, ein Auto, ein Umzug. „Die erste Frage, die man sich bei diesem Sparziel stellt: Was sind meine Ziele und wie lange habe ich Zeit“, erklärt Märzendorfer. Denn die Anlagedauer entscheidet, wo das Geld liegt. Traditionell sollte das mittelfristige Sparziel besser verzinst als der Notgroschen sein. Das Geld parkt also nicht auf dem Sparkonto, sondern vielleicht in einem Wertpapierdepot , wo mehr Zinsen rausspringen und die Inflation abgefedert wird. Liegt das Geld kürzer als drei Jahre, rät Märzendorfer aber vom Wertpapierdepot ab, weil das Risiko zu groß ist, bzw. die Schwankung zu breit. Was er damit meint? Auf fünf Jahre Anlagehorizont hätte man bei Aktien-Produkten wie dem ETF MSCI World historisch betrachtet eine 75-prozentige Chance, positiv zu sein. „Heißt: In einem Viertel der Fälle kann ich negativ oder schwer negativ aussteigen“, so Märzendorfer. Nochmal vereinfacht: Je länger man anlegt, desto geringer wird das Risiko. „Bei acht, zehn, zwölf Jahren kann ich auf ein Wertpapierdepot gehen“, sagt Märzendorfer – sofern man sich auskennt und einem die Risiken bewusst sind. Zugriff hat man letztlich immer auf das Depot. Steht der Kurs gut, spricht nichts gegen eine Entnahme. Steht er schlecht, ist man besser nicht auf das Geld angewiesen und wartet ab. Schritt fünf: Alles auf Anfang Manchmal passiert auch beim besten Sparer Unvorhergesehenes und der Notgroschen und die mittelfristige Anlage müssen dran glauben. Was dann passiert? Man fängt zwar wieder beim Notgroschen an – jedoch nicht bei null. Sparen ist schließlich eine Gewohnheit. Wer es schon einmal geschafft hat, schafft es wieder. Nur das langfristige Sparziel, raten die Experten, sollte immer unangetastet bleiben – außer, wenn wirklich alle Stricke reißen.