Andrea Sawatzki: "Ich habe dabei gelernt, zu überleben"

Andrea Sawatzki: "Ich habe dabei gelernt, zu überleben"

Heiter und wolkig. So könnte man die kulturelle Stimmungslage bei Andrea Sawatzki skizzieren. Das liegt an ihren zwei neuen Arbeiten, die gegensätzlicher kaum sein könnten: ein berührender Roman und eine launige Komödie. „Biarritz“ heißt ihr Buch, Sawatzki ist nicht nur Schauspielstar, bekannt etwa als „Tatort“-Kommissarin in Frankfurt, sondern auch Bestsellerautorin. Thema: ihre Kindheit. Autofiktional erzählte sie daraus und vom demenzkranken Vater bereits in „Brunnenstraße“ , nun schreibt sie über das Verhältnis zu ihrer Mutter, zwar fiktional, jedoch stark von ihrem eigenen Leben geprägt. Die Mutter, Emmi, lebt im Altersheim und hat das Sprechen eingestellt, die Tochter zermürbt das Warum darüber und beschließt, eine letzte große Reise mit ihr zu unternehmen. Es geht um Pflege, Demenz, eine komplexe Kindheit – starker Stoff. Ganz anders dagegen ihre neue Komödie: Die Abenteuer der Familie Bundschuh sind eine beliebte Fernsehreihe, die zum Großteil auf Sawatzkis Romanen basiert. Der neunte Teil nennt sich „Wir machen Camping“ (1.9., 20.15 Uhr, ZDF): Ein Kurzurlaub soll die Ehe von Gundula auffrischen, doch statt im Luxushotel landet man im Wohnmobil – mitsamt der ganzen Sippe. Ein witziges, kurzweiliges Lustspiel mit Darstellern in Hochform. Im Interview wollen wir beide Arbeiten zum Thema machen. Ihr Roman „Brunnenstraße“ handelte von Ihrem demenzkranken Vater, jetzt schreiben Sie mit autobiografischen Grundzügen über die Beziehung zu Ihrer Mutter. Hat das Thema lange in Ihnen gearbeitet? Ja, viele Jahre. Den Ausschlag gaben aber meine Leserinnen und Leser. Viele haben mich nach der „Brunnenstraße“ gefragt, was denn mit der Mutter in der Geschichte sei, der Gedanke kam auf, sie hätte dem Vater nicht zur Seite gestanden. Das konnte ich so nicht gelten lassen. Wie war es tatsächlich? Meine Mutter hat alles gegeben, was in ihren Möglichkeiten stand, das wollte ich richtigstellen. Wenn auch widerstrebend: Ich habe mich wirklich gesträubt, noch so ein persönliches Buch zu schreiben. Doch das Thema ist wichtig: Ich habe viele Gespräche mit Menschen geführt, die Demenz- oder Alzheimerkranke pflegen, die Schuld empfinden und das Gefühl, sie machen nicht genug. Valeria Mitelman Schreiben als Therapie: „Mit dem Roman war es mir möglich, den Groll auf meine Mutter loszuwerden“, so Andrea Sawatzki Auch die Mutter ist dement, spricht nicht mehr. Gleichzeitig geht es um die Beziehung zwischen Tochter und Mutter, Schmerz und Schuld. Auch der neue Roman handelt von der Krankheit Demenz, aber auch von Schuldgefühlen, und dann ist da noch der Groll, den man als Kind oft entwickelt, wenn die Eltern sich entziehen und man nicht über das sprechen konnte, was einem wichtig gewesen wäre. Ihr Vater war mit einer anderen Frau verheiratet, nachdem diese Selbstmord beging, kamen Ihre Eltern wieder zusammen. Wollten Sie Ihrer Mutter mit dem Schreiben näherkommen, sie besser verstehen lernen? Ich wollte eine Liebeserklärung an meine Mutter schreiben. Das war der Grundgedanke. Während des Schreibens habe ich dann gemerkt, dass in mir immer noch ein Groll auf sie schlummert. Dass sie sich einfach so davongemacht hat – obwohl sie ja nichts dafür konnte. Ich habe zehnmal von Neuem begonnen, das Buch zu schreiben und insgesamt drei Jahre dafür gebraucht. Wie war der Schreibprozess für Sie? Das Schreiben hat mich dazu gebracht, nochmal ihr Leben zu beleuchten. Mich in sie hineinzuversetzen, in die Zeit als sie alleinerziehende Mutter war, wie sie Geld verdienen musste für uns, später die Enttäuschungen erleben musste, als wir zu meinem Vater gezogen sind. Im Grunde war ihr Leben eine Anhäufung von Enttäuschungen. Diese Generation war oft zu einem Schweigen verurteilt. Sie war auch zu einem Schweigen erzogen worden. Deswegen war es ihr nicht möglich, auf mich einzugehen. Konnten Sie Ihrer Mutter verzeihen? Ich bin sehr glücklich, dass ich diesem Kreislauf des Schweigens entkommen konnte. In Form dieses Buches, aber auch im Umgang mit meinen Söhnen. Meine Mutter konnte das nicht, ihre Gefühle aussprechen. Mit dem Roman war es mir möglich, den Groll auf meine Mutter loszuwerden. Beim Versuch, sie zu verstehen wurde vieles deutlicher und leichter. Wenn es so viel aufzuarbeiten gibt, wird man damit wahrscheinlich nie richtig fertig, oder? Die Bilder und Erinnerungen an meine Mutter bleiben. Was mich glücklich stimmt, seitdem das Buch fertig ist: Wenn ich etwas Schönes erlebe, denke ich – „das muss ich Mama erzählen.“ Das war lange Zeit nicht der Fall. Für mich ist es ein Zeichen, dass die Liebe zurückgekehrt ist. Deswegen ist das Buch so wichtig für mich. Sie haben drei Jahre an „Biarritz“ geschrieben. Mussten Sie manchmal aufhören, weil Ihnen die Arbeit daran zu schwergefallen ist? Im Gegenteil. Trotzdem musste ich beim Korrekturlesen bei manchen Passagen schlucken. Auch weil ich weiß, wie hart es für viele Kinder heute noch ist, ihre Familienangehörigen zu pflegen. Die Situation in Pflegeheimen ist oft katastrophal, von staatlicher Seite kommt keine Hilfe, und die betreuenden Menschen sind hoffnungslos unterbezahlt. Es gibt einen Pflegenotstand. Das ist empörend und hat mich sehr berührt. Weil es nach wie vor so aktuell ist. Der Pflegenotstand ist auch in Österreich ein großes Thema, und das seit Jahren. Woran liegt es Ihrer Ansicht, dass bei diesem Problem keine Verbesserung in Sicht ist? Ich glaube, dass viele Menschen dazu neigen, das Thema Alter in der Gesellschaft weit von sich wegzuschieben. Sie wollen damit nicht belastet werden, befassen sich erst damit, wenn sie selbst alt sind. Die Folge ist, dass auch die Verantwortlichen es vermeiden, sich Gedanken zu machen. Aber man kann den Pflegenotstand eigentlich nicht erklären, er ist einfach nur ein Skandal. Sie haben Ihren demenzkranken Vater selbst gepflegt, waren damals zwischen acht und fünfzehn Jahre alt. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück? Ich bin dieser Zeit im Nachhinein tatsächlich dankbar. Sie hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Es waren zwar ziemlich harte Jahre, aber ich habe dabei auch gelernt, zu überleben. Und dieser Überlebenstrieb hat mir in meinem Beruf später viel geholfen, weil es da wichtig ist, durchzuhalten, Enttäuschungen durchzustehen und nach vorne zu schauen. So bin ich erzogen worden: Probleme lösen sich nicht von selbst, man muss schon anpacken. Diese Einstellung verdanke ich der Zeit, als ich meinen Vater gepflegt habe. Ängstigt Sie selbst der Gedanke ans Älterwerden? Nein. Ich verbiete mir den Gedanken, darüber nachzudenken, was mich im Alter Schlimmes erwarten könnte. Was ich sagen kann, ist: Durch die Zeit mit meinen Eltern und die Erfahrungen mit dieser Krankheit, weiß ich das Leben mehr zu schätzen. Es hat meinen Blick auf das Leben geschärft. Ich habe gelernt, dass in kürzester Zeit alles kippen kann. Man muss dankbar sein für jeden Tag, den man gesund ist und erleben darf. Sie sind Mutter von zwei Söhnen. Welchen Einfluss hatten Ihre Erfahrungen darauf, Ihre eigenen Kinder zu erziehen? Mein Mann und ich haben versucht, mit meinen Söhnen immer über alles zu sprechen. Das ist mir schwergefallen, weil ich das Schweigen meiner Mutter in den ersten Jahren tatsächlich übernommen und dichtgemacht habe, wenn ich mich etwa gekränkt gefühlt habe. Ich bin sehr glücklich, dass ich es heute schaffe, darüber zu sprechen, was mich stört oder was ich vermisse. Die Kinder geben es zurück? Ich glaube, wir konnten unsere Gesprächsbereitschaft sehr gut an unsere Buben weitergeben. Sie gehen sehr gut durchs Leben, sind rücksichtsvoll und offen. Das ist für mich das größte Geschenk, weil es mich viel Kraft gekostet hat, das Schweigen zu überwinden und wieder zurück ins Leben zu finden. Ich bin sehr froh, dass meine Söhne das von klein auf anders erlebt haben als ich. Für die Mutter im Buch ist Biarritz der große Sehnsuchtsort. Was ist Ihrer? Andalusien. Wenn wir wegfahren, dann dorthin. Ein kleines Dorf, sehr einsam, dort sind wir dann mit der ganzen Familie und unseren spanischen Freunden. Mein zweiter Sehnsuchtsort ist Rumänien. So oft es mir möglich ist, fahre ich hin und rette mithilfe einer Tierschutzorganisation Hunde aus den Tötungsstationen. Für manche ist der Sehnsuchtsort ein Zelt oder Wohnmobil. Sie merken, wir wagen jetzt einen Richtungswechsel im Gespräch und reden über Ihre neue ZDF-Komödie „Familie Bundschuh: Wir machen Camping“. Wäre das etwas für Sie? Nein. Obwohl ich eine sehr schöne Erinnerung daran habe: Nach dem Tod meines Vaters, ich war damals 16, mietete meine Mutter einen Campingwagen an der Atlantikküste, den wir bezogen haben. Das waren sehr schöne drei Wochen. Trotzdem habe ich das danach nie wieder gemacht. Obwohl ich die Idee des Campens nachvollziehen kann, die Freiheit und Unabhängigkeit. Es ist der neunte Film der beliebten Filmreihe. Sie spielen Gundula, deren Ehe jetzt auf dem Prüfstand steht. Sie überlegt, ob sie ihren Gatten verlassen soll. Wie denken Sie darüber: eine zerrüttete Beziehung retten oder doch lieber ein Neubeginn? Ich bin eher dafür, eine Beziehung zu retten – auch, weil ich von vielen Menschen, die sich getrennt haben, weiß, dass es danach nicht unbedingt besser wird. Ich kenne viele Frauen in meinem Alter, die den Absprung geschafft haben und dann aber feststellen mussten, dass sie eben alleine sind und eher niemanden mehr finden. Manche sind glücklich darüber, andere traurig. Der Neuanfang, eine Sackgasse? Wenn man sich gar nicht mehr schätzt und liebt und auch der Respekt voreinander verloren gegangen ist, ist eine Trennung schon besser. Bevor man sich gegenseitig zermürbt und gegenseitig auch noch den letzten Rest Stolz nimmt. Das ist fatal. Glauben Sie an Paartherapie? Ich habe keine Erfahrungen damit. Aber ich glaube, es ist gut, wenn man sich auf ein geführtes Gespräch mit einer dritten Person einlässt. Auf eine Auseinandersetzung, bei der man sich wirklich aussprechen kann, ohne dass es beleidigend wird oder es mit den Türen knallt. Die Bundschuhs wagen einen romantischen Kurzurlaub, um ihre Beziehung zu reparieren. Ein guter Tipp? Im Urlaub verbringt man mehr und intensiver Zeit miteinander, als vielleicht gewohnt. Angeblich steigt die Trennungsrate nach Urlauben oder nach Weihnachten. Aber grundsätzlich halte ich eine Auszeit vom Alltag ab und zu für wichtig. Das ist natürlich immer auch eine Frage der wirtschaftlichen Möglichkeiten, das können sich nicht alle leisten und das ist ungerecht. Sie sind bekanntlich mit Christian Berkel verheiratet, wie sie ist er Schauspieler und Autor. Ist das eher praktisch oder schwierig? Es erleichtert vieles, weil wir uns nicht erklären müssen, wie unsere Berufe funktionieren. Wir wissen beide, wann es besser ist zu schweigen oder wann man sich das Recht vorbehält, sich in einen Freiraum zurückzuziehen. Dazu kommt: Wir arbeiten einfach sehr gerne miteinander. Wir spielen in unserer „Anfänger“-Reihe für die Degeto, betreiben eine Produktionsgesellschaft, und aktuell planen wir die Verfilmung meines Romans „Brunnenstraße“. Wir verstehen einander und das ist schon toll.

Schauspielerin Johanna Wokalek: "Wir bräuchten viel mehr Leben“

Schauspielerin Johanna Wokalek: "Wir bräuchten viel mehr Leben“

In der Zeit von Klaus Bachler als Direktor (von 1999 bis 2009) war Johanna Wokalek einer der „rising stars“ des Burgtheaters : Die deutsche Schauspielerin, 1975 in Freiburg im Breisgau geboren, begeisterte mehrfach in den Inszenierungen von Andrea Breth, darunter als Käthchen von Heilbronn und Emilia Galotti. Wokalek blieb auch unter Matthias Hartmann, der 2014 ob einer desaströsen Finanzlage gefeuert wurde, im Ensemble. Aber 2015 verließ sie die Burg aus freien Stücken. Und kehrte zwischendurch, 2019, als Gast wieder – für „Die Ratten“ in der Inszenierung von Breth. Nun aber ist sie wieder fix zurück in Wien. Allerdings am Volkstheater . Um eine neue Perspektive auf die Stadt werfen zu können. KURIER: Sie haben ab 1994 am Max Reinhardt Seminar studiert. Warum? Sie kommen ja aus dem Schwarzwald … Johanna Wokalek: Ich war während der Schulzeit da, und mir hat Wien unglaublich gut gefallen. Ich dachte mir, es wäre toll, wenn ich hier studieren oder auch nur leben könnte. Das war der Grund, warum ich mich bewarb. Und es hat gleich geklappt. 1996 waren Sie die Haupt-Alma in der Uraufführung des Simultandramas „Alma – A Show Biz ans Ende“. Paulus Manker, der Regisseur, gilt daher als Ihr Entdecker. Oder war es doch Klaus Maria Brandauer? Brandauer war mein Lehrer, und dann kam Manker ins Seminar, um ein Vorsprechen zu machen. Er suchte ein Ensemble für „Alma“, etliche aus meiner Klasse waren dann mit dabei. Wir haben ja generell keine andere Chance, als zu spielen – und hoffentlich gesehen zu werden. War das gleich einmal eine harte Schule, weil Paulus Manker auch mit Ihnen geschrien hat? Ja, wir hatten lautstarke Auseinandersetzungen. Er ist ein eigenwilliger Künstler, sag ich mal, und eine extreme Persönlichkeit. Das war wahrscheinlich eine Art Feuertaufe. Wenn man Paulus durchgestanden hatte, konnte einen eigentlich nichts mehr überraschen. Die Produktion wurde überraschend ein großer Erfolg. Aber ich bin ja nicht in Wien geblieben, sondern für drei Jahre nach Bonn gegangen. Marcella Ruiz Cruz Und dann kamen Sie wieder: Sie wirkten bei der „Alma“-Verfilmung mit und wurden Ensemblemitglied der Burg. Eine ganz besonders enge Arbeitsbeziehung haben Sie zu Andrea Breth aufgebaut. Die hat sich ergeben: „Der jüngste Tag“, „Emilia Galotti“, „Don Carlos“, „Die Katze auf dem heißen Blechdach“, „Motortown“, „Zwischenfälle“… Es gibt so glückhafte Verbindungen, wo man ein intuitives Verständnis füreinander oder eine gemeinsame Fantasie hat. Und das führt dazu, dass man einander immer wieder sucht. Aber es gab natürlich auch andere Arbeitsbeziehungen und daher neue Einflüsse. Sie arbeiteten zum Beispiel mehrfach mit Luc Bondy. Wieso haben Sie Wien überhaupt verlassen? Ich hatte 15 Jahre am Burgtheater. Aber dann kam das Gefühl, dass sich künstlerisch mehr bewegen muss. Auch wenn ich herrliche Rollen hatte. Ich glaube, es gibt in jedem Künstlerleben so Phasen, in denen man denkt, es ist kein Feuer mehr da. Und man kann nicht verlangen, dass es immer von anderen entfacht wird, es muss ja auch von einem selber immer wieder befeuert werden. Das Burgtheater wird immer als der Gipfel angesehen: Kaum einer gibt ein festes Engagement auf. Natürlich ist es ein großer Teil meiner Biografie und bleibt das auch. Aber ursprünglich war es doch so: Eine Gruppe Menschen verabredet sich, zieht mit dem Karren irgendwohin – und spielt dort. Dafür braucht es keinen Namen wie „Staatsoper“ oder „Comédie-Française“. Die Verabredung jedoch muss lebendig sein. Und wenn sie nicht mehr lebendig ist, dann bewege ich mich eben dorthin, wo ich Lebendigkeit finde. Dazu musste ich mal raus aus dem Betrieb. Und so hab’ ich mit den Pina-Bausch-Leuten in Wuppertal Tanztheater, an der Frankfurter Oper das Musiktheaterprojekt „Jeanne d’Arc au bûcher“ gemacht oder mit Krzysztof Warlikowski an der Opéra Garnier in Paris gearbeitet. Haben Sie auch mit Ihrem Mann, dem Dirigenten Thomas Hengelbrock, Projekte realisiert? Haben wir auch gemacht, zum Beispiel Henry Purcells Oper „Dido and Aeneas“ in der Felsenreitschule bei den Salzburger Festspielen 2015. Oder „Nachtwache“ mit Chorstücken und Gedichten aus der Romantik. Wir haben unendlich viele Ideen, sind immer im Austausch. Aber jeder hat sein Leben mit seinen Projekten. Wir bräuchten viel mehr Leben, um das alles umsetzen zu können. Wie kam es dann zu Ihrem Engagement ans Volkstheater? Ist Jan Philipp Gloger, der neue Direktor, auf Sie zugekommen? Ich war in der Volksoper, sah „Die Dubarry“ in seiner Regie und musste immer wieder herzlich lachen, ich entdeckte einen intelligenten Humor. Wir haben uns danach mehrfach ausgetauscht. Wie hat er Ihnen Wien wieder schmackhaft gemacht? Er selber ist der Grund. In den Gesprächen hat Gloger immer wieder betont, dass es Raum für verschiedene Theaterformen geben soll, Theater also in seiner Vielfältigkeit. Das fand ich verführerisch. Und jetzt bin ich erst mal neugierig. Wir sind nur 20 im Ensemble, und viele sind jünger als ich. Was kann ich von meinen Erfahrungen weitergeben? Sie leben eigentlich in Paris, weil Ihr Mann das dortige Orchestre de Chambre leitet. Ist das andauernde Reisen nicht aufreibend? Mit einem Dirigenten, einer Schauspielerin und einem Sohn ist das tatsächlich nicht so einfach, aber wir sind es gewohnt, dass jeder mal woanders arbeitet. Das ist einfach unser Leben – mit allen Vor- und Nachteilen. Mein Lebensmittelpunkt ist dort, wo ich arbeite, daher jetzt Wien, und hier habe noch immer meine Wohnung aus der Burgtheaterzeit. Aber ich werde natürlich auch immer wieder in Paris sein, wo mein Sohn zur Schule geht. Gloger beginnt seine Direktion am 12. September mit einem Jura-Soyfer-Abend – und zwei Tage später folgt die Dramatisierung von Michael Hanekes „Caché“: Anne und George, ein gut situiertes Ehepaar in Paris, erhalten gespenstische Videokassetten … Wie kam es dazu? Ich habe mehrere Arbeiten von Felicitas Brucker, der Regisseurin, gesehen. Auch sie lebt in Paris. Wir konnten uns also immer mal treffen. Wir waren neugierig aufeinander. Und welche Rolle wird folgen? Ein Grund, ans Volkstheater zu gehen, war, dass ich Wien neu entdecken möchte. Ich kenne die Stadt aus der Burgtheater-Perspektive. Und jetzt möchte ich ein anderes Wien entdecken. Ich gehe z. B. mit Gloger auf die Tour durch die Bezirke. Eine Ochsentour? Das glaube ich nicht. Es hängt ja immer davon ab, wie man der Welt und den Menschen begegnet. Wir kommen ja nicht gnädig mit unserem Theater in die Bezirke, sondern gehen dorthin, wo das Publikum lebt – in der Hoffnung, dass es zu einem Austausch kommt. Nein, es kommt garantiert zu tollen Erlebnissen! Ich war sofort Feuer und Flamme. Wir spielen „State of The Union. Eine Ehe in zehn Sitzungen“, eine Komödie von Nick Hornby. Ich denke, man kann sich darin wiederfinden – in allen Bezirken dieser Welt. Die Premiere ist aber erst am 13. Februar 2026. Bis dahin kann man Sie nur in „Caché“ sehen? Auch im Fernsehen, zum Beispiel in der Serie „Polizeiruf 110“ aus München. Die nächste Folge drehe ich mit Adrian Goiginger. Oder man sieht mich im Kino. In welchem Film? Zuletzt habe ich in drei Debütfilmen junger Regisseurinnen mitgewirkt. Einer heißt „Milch ins Feuer“: Ich spreche Alemannisch und bin umgeben von Laien. Wir erzählen eine nicht verklärende Geschichte vom harten Leben der Bauern. Und über die Position der Frauen, die auch in unserer Zeit nicht die Höfe erben. Das ist ein ganz toller Film geworden. Ich hoffe, er kommt auch in die österreichischen Kinos.

Blauer Schatten über der Regierung

Blauer Schatten über der Regierung

Ist Politik ungerecht? Vertreter der drei Regierungsparteien ÖVP , SPÖ und Neos werden das derzeit wohl mit einem lauten Ja beantworten. Da hat man trotz der finanziellen Krise rasch ein Doppelbudget auf die Beine gestellt. Da wurden langjährige Forderungen umgesetzt oder auf Schiene gebracht, von der Messengerüberwachung über die Bundesstaatsanwaltschaft bis hin zur Abschaffung der Bildungskarenz oder Vereinfachungen bei Belegspflichten. Da wurden auch den Sommer über stakkatoartig Themen gesetzt – teilweise sehr holprig –, von der Teilzeitdebatte über die Lebensmittelpreise bis hin zur Mietpreisbremse . Und dennoch bewegt sich in den Umfragen kaum etwas. Zuletzt lagen ÖVP und SPÖ bei den Sonntagsfragen mit rund 22 und 20 Prozent unter dem Ergebnis der Nationalratswahl 2024, während die Neos nur ganz leicht auf rund 10 Prozent zulegt haben. Auf der anderen Seite hat sich FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl den Sommer über aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Im Juli und August gab es nicht einmal zehn Presseaussendungen von ihm. Vielmehr postete er Urlaubsfeeling und kündigte zuletzt per Instagram an, dass es für die „Verlierer-Ampel“ politisch ein heißer Herbst wird. ÖVP-Generalsekretär Nico Marchetti hat das sogar zum Thema gemacht und Herbert Kickl als „Chef der Faulsten Partei Österreichs“ attackiert. Verfangen hat sich das in der Bevölkerung nicht. Die Freiheitlichen verzeichnen derzeit ein Umfragehoch, deutlich über der 30-Prozent-Marke. Als ob sie derzeit nichts falsch machen könnten. Es muss sich für die Dreierkoalition wie ein blauer Schatten anfühlen, der schwer auf ihr lastet. Das war auch in der Zeit der türkis-grünen Vorgängerregierung so. Die ständigen Hinweise auf die vielen Krisen – von Corona bis zum Ukrainekrieg –, die gemeistert werden mussten, haben nicht gereicht, um diesen Schatten abzuschütteln. Es wurden die Krisen zwar mit viel Einsatz bewältigt, eine Aufbruchsstimmung konnte in der Bevölkerung dennoch nicht erzeugt werden. Aber nur die kann zu einem politischen Gamechanger werden. Das ist jetzt genauso. Dass die Bundesregierung arbeitet und nicht streitet, wird von einer Mehrheit als positiv bewertet. Ist es auch, wenn man nur als Vergleich nach Deutschland blickt, wo CDU und SPD von einem Koalitionskrach in den anderen taumeln. Es reicht aber nicht. Es muss rasch etwas Messbares und Spürbares auf den Tisch, damit das Vertrauen in die Regierungsarbeit wächst. Die FPÖ hat es da leichter. Sie kann sich darauf konzentrieren, 2027 in Kärnten den nächsten Landeshauptmannsessel zu erobern. Auch Oberösterreich wähnen die blauen Strategen in Schlagweite. Und wenn das eintritt, wird diese Dreier-Regierung sicher nicht die volle Periode überleben.

Krebskranke Ex-Ministerin: „Natürlich habe ich oft einen Zorn auf die Situation“

Krebskranke Ex-Ministerin: „Natürlich habe ich oft einen Zorn auf die Situation“

Andrea Kdolsky hat vor genau einem Jahr eine Krebsdiagnose erhalten: zuerst Darmkrebs, dann Gehirntumor. KURIER: Wie geht es Ihnen? Andrea Kdolsky: Vom Darmkrebs bin ich nach 30 Bestrahlungen geheilt. Es war ein Zufallsbefund. Ich bin von der Gynäkologin wegen einer Zyste zur Computertomografie geschickt worden. „Die Zyste ist nicht das Problem, Sie haben Darmkrebs“, sagte der Arzt. Ein Schock. Ich bin aus allen Wolken gefallen. Auch meine Mutter ist an Darmkrebs verstorben, ich hatte sofort Hunderte Bilder im Kopf. Als Ärztin ist man ja auf die Diagnose fokussiert. Und als Patientin auf die Therapie. Ja, und das so schnell wie möglich. Man will nichts anderes, als diesen Fremdkörper im Körper bekämpfen. Ich habe jetzt vier Zyklen Chemotherapie durchgestanden. Der Hirntumor ist durch ein Zweitkarzinom entstanden, das weitere Metastasen gebildet hat. Jetzt bin ich in einer sogenannten Teilremission: Alle Metastasen sind deutlich zurückgegangen, haben also gut auf die Chemotherapie angesprochen. Mein behandelnder Onkologe möchte noch zwei Zyklen Chemotherapien anschließen in der Hoffnung, dass die Metastasen dann ganz weg sind. Das nennt man Vollremission. Danach gibt es weiterhin Kontrollen. Kurier/Juerg Christandl „Humor behalten ist besonders wichtig“, sagen Sie in Videos dazu. Aber der vergeht einem dazwischen schon einmal, oder? Ich versuche, Mut zu machen und auch Dinge zu erklären. Sehr oft gehen ja Patientinnen und Patienten aus einer ärztlichen Besprechung hinaus und wissen noch immer nicht, was sie haben. Ja natürlich habe ich schon ein Wochenende durchgeheult. Und wenn mir da jemand gesagt hätte: „Soll ich dich erwürgen“, hätte ich „Ja bitte“ gesagt. Man hat extreme Ups and Downs. Da ist es wichtig, Ziele zu haben und sich an das Positive zu erinnern. Was ist Ihr Ziel? Ich schreibe ein Buch mit Informationen für Betroffene und Angehörige – sowie für Menschen, die nicht Krebs haben. Weil die sind oft der schwierigste Part. Wieso? Weil ganz wenige Leute mit dem Krebs umgehen können. Die einen reden mit dir, als ob du morgen sterben würdest. Die anderen ziehen sich ganz zurück. Die Dritten weisen darauf hin, dass sie auch eine Verkühlung haben, also auch krank sind. Laut Studien ist 2050 jeder zweite Österreicher von Krebs betroffen. Die Umwelt wird also damit umgehen lernen müssen. Der Krebskranke will ganz normal behandelt werden. Sie wollen nicht in Watte gepackt werden? Richtig! Das ist ganz schlecht! Dadurch fällt man in das Leidende. Man muss aufstehen und kämpfen! Todesangst hat man dennoch? Das hatte ich weniger, weil ich mich vor dem Tod nicht fürchte. Vielleicht ist das total lustig und geil, es ist ja noch keiner zurückgekommen! Auch vor Schmerzen fürchte ich mich nicht so, weil ich als Schmerztherapeutin die Behandlungsmöglichkeiten kenne. Ich fürchte mich am allermeisten vor Abhängigkeit. Kurier/Juerg Christandl Sie sind Single. Ich lebe seit zehn Jahren als glücklicher Single. Was aber schon schwierig sein kann, wenn man die Kraft durch die Chemo verliert. Daher bin ich jetzt in eine barrierefreie Wohnung übersiedelt. Sind Sie manchmal wütend, nach dem Motto: „Warum gerade ich?“ Natürlich habe ich oft einen Zorn auf die Situation, weil es mir mein Leben weggenommen hat: meinen Sport, meinen ärztlichen Beruf. Ich war in der Privatklinik Hausärztin und erreichbar, wenn der Belegarzt nicht da ist. Das habe ich wahnsinnig gerne gemacht. Mit dem Darmkrebs habe ich noch gearbeitet, doch mit der Hirnmetastase wurde mir nahegelegt, es nicht mehr zu tun, was mich sehr getroffen hat. Auf einmal bin ich daheimgesessen. Dabei bin ich jemand, der immer was tun muss. Sie waren Gesundheitsministerin, wie ändert sich der Blick auf notwendige Reformen im Gesundheitswesen, wenn man Patient ist? Komplementärmedizinische Behandlungen werden von den Kassen nicht finanziert, obwohl man weiß, dass es vor allem in der Chemotherapie unterstützend ist. Da wird es jetzt heißen: Das sind zusätzliche Ausgaben, die Krankenkassen haben doch eh kein Geld. Aber ich glaube, die haben nur deshalb kein Geld, weil sie in ihren eigenen internen Prozessen nicht sparen. Wenn man sich allein die IT-Struktur anschaut, wird einem übel. War die Krankenkassenfusion von 21 auf fünf richtig? Es wurden ja nur Schilder ausgetauscht. Prinzipiell wäre eine Reduktion auf zwei – Krankenkasse und Pensionskasse – richtig gewesen. Und ich bin auch für Versicherungspflicht, statt Pflichtversicherung. Dann wäre der Konsument wirklich Kunde. Sie sind als Politikerin oft kritisiert und als „Schweinsbratenministerin“ denunziert worden. Worauf Sie ein Schweinsbratenbuch herausgegeben haben. Hat Sie manches damals verletzt? Es hat mich vieles verletzt, was untergriffig war. Frauen werden noch immer anders beobachtet, und leider sind es oft Frauen, die am härtesten gegen Frauen losgehen. Sie waren eine extrovertierte Ministerin, haben Csardas auf einer Bühne getanzt. Bereuen Sie etwas? Ich bereue gar nichts und stehe auch weiterhin zur Aussage, dass es kein Verbrechen ist, ab und zu einen Schweinsbraten zu essen. Den Csardas habe ich für die Kinderkrebshilfe getanzt. Dort engagiere ich mich, weil meine Schwester an Krebs gestorben ist. Haben Sie ein Krebs-Gen in der Familie? Das könnte sein, aber ich habe es nicht testen lassen. Sie sind aus Protest gegen Schwarz-Blau in Niederösterreich aus der ÖVP ausgetreten und haben sich den Neos angeschlossen, für die Sie das Kapitel Gesundheit in den Regierungsgesprächen verhandelt haben. Wie sind Sie mit der jetzigen Bundesregierung zufrieden? (seufzt) Ich versuche, nicht Muppet zu spielen. Wen ich im Moment sehr schätze in seiner ruhigen Art, ist der Herr Stocker. Aber mir fehlen steuerliche Anreize. Und der Mietpreisdeckel könnte ein Streitpunkt werden – ich war ja nie ein Babler-Freund. Nicht ganz glücklich bin ich auch mit den vielen Ukraine-Reisen der Außenministerin. Ist „Keep Smiling“ Ihr Motto? Ja. Wenn man an Krebs erkrankt ist, ist Humor neben der Therapie der einzige wirkliche Verbündete, den man hat. Ich habe in Italien so gerne gelebt, weil es humorvoll war. Wenn man hingegen in Wien in eine U-Bahn steigt, glaubt man, die Welt ist gerade zusammengebrochen. Das Leben ist gut, und wir müssen jede Minute genießen!

Sportchefs mit goldenem Händchen, der Teamchef schaut durch die Finger

Sportchefs mit goldenem Händchen, der Teamchef schaut durch die Finger

Passiert nicht am Ende der Übertrittszeit Unerwartetes, wird die Liga in einer Woche vermelden, dass ihre Profiklubs heuer mehr Spieler verkauften als erwarben . Und warum? Weil selbst in zweiten ausländischen Ligen höhere Gehälter gezahlt werden als in Österreichs erster, während sich hierzulande wirtschaftliche Seriosität durchzusetzen beginnt. Oder notgedrungen (siehe Austrias US-Verkauf von Dominik Fitz ) der Sparstift dominiert. Trotzdem wird mehr importiert als eigener Nachwuchs forciert. Selbst hinter diesem – nicht nur von ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick kritisierten – Trend steckt auch finanzielles Kalkül. Gelingt es doch immer wieder, als No Names Geholte nach kurzer Bewährungsphase ums Drei- bis Vierfache ins Ausland weiter zu verkaufen. Diesbezüglich bewiesen nach Salzburgs (beim FC Bayern gelandeten) Christopher Freund auch Andreas Schicker als Sturm-Sportchef (inzwischen Hoffenheim) und zuletzt Rapids-Sportdirektor Markus Katzer ein goldenes Händchen. Daniel Widner | SK Rapid Wien / Daniel Widner | SK Rapid Wien Markus Katzer bewies mit seinen Personal-Ideen ein gutes Händchen Ungeachtet großer Geschäfte lohnt es sich, bei den Kleinsten zu spionieren. So fiel in Wien-Nussdorf dem einstigen, längst pensionierten Rapid-Jugendchef Adi Köstenberger ein kleiner Tempodribbler namens Nikolaus Wurmbrand in der U 10 des Fünftligisten NAC auf. Neun Jahre später rückt Rapids Flügelflitzer erstmals beim Nationalteam ein. Lästiger Sport Wurmbrands 118 Jahre alter Döblinger Stammverein wäre angesichts hoher Energiekosten ohne Tennisplatz-Vermietung und ohne Mitgliedsbeiträge (420 Euro jährlich) seiner über 200 Jungkicker nicht mehr existent. Was manchen im Nobelbezirk, die dem 80-jährigen NAC-Obmann dessen Ehrenamt mit Beschwerden über Sportplatzlärm erschweren, ohnehin lieber wäre. Im Umfeld eines anderen Vereins fühlt man sich durch Schiedsrichterpfiffe gestört. Und vor den westlichen Toren Wiens wollte eine Bürgerinitiative verhindern, dass die NÖ-Gemeinde dem vom Jahrhunderthochwasser schwer getroffenen Fußballklub die Instandsetzung seiner Sportanlage finanziert. Argument: Laufen allein und Tanzen sei billiger, klüger und würde genügen. Bei allem Respekt vor dieser Meinung – es gibt auch eine zweite: Dass nämlich Teamsportarten, in denen man gemeinsam verlieren und siegen lernt, wichtig sind. Gerade in Zeiten, in denen gefühlt jeder Zweite nur noch mit seinem Handy kommuniziert.