Bulo’s Beobachtungen: Warum ich mir auf LinkedIn irgendwie outlinked vorkomme.

Bulo’s Beobachtungen: Warum ich mir auf LinkedIn irgendwie outlinked vorkomme.

Publikaturist und Gary-Glotz -Kreativchef Peter "Bulo" Böhling hat sich jahrelang gegen LinkedIn gesträubt. Auf Drängen von Freunden und Geschäftspartnern meldete er sich vergangene Woche nun doch bei dem beruflichen Netzwerk an – und fragt sich in seiner heutigen Kolumne, warum er das getan hat. Von Bulo Nachdem mir aus meinem Umfeld von Prügel bis hin zu Liebesentzug so ziemlich alles angedroht wurde, wenn ich jetzt nicht endlich diesem Netzwerk beitrete, habe ich nach langjährigem, tapferem Widerstand nun kapituliert und mir als MTLA (Much Too Late Adopter) auf LinkedIn einen Account gebastelt … und bereits nach ein paar Tagen gegrübelt, ob es nicht doch besser gewesen wäre, sich für die Peitschenhiebe auf die Fußsohlen oder die ewige Verdammnis zu entscheiden. Nein, nein, das ist schon dufte, alle mal wiederzusehen, die einem so im Laufe des beruflichen Lebens über den Weg ins Corner Office gestolpert sind. Wie ein Freundschaftsbuch für Altgewordene oder eine Art Klassentreffen. Mit dem Unterschied, dass man nicht all die lästigen Fragen beantworten muss, was man denn so treibe, denn das hämmert man sich ja gut sichtbar ins Profil, unter das fancy Foto mit der möglichst aufdiekackehauenden Job-Description. Was ich allein darauf für Zeit ver(sch)wendet und Essensrufe meines Nachwuchses unbeantwortet ließ – ein Graus! Einerseits schäme ich mich dafür, andererseits hat die Weltgesundheitsorganisation Sucht als Abhängigkeitssyndrom mit körperlichen, kognitiven und Verhaltenssymptomen klassifiziert. Damit ist sie eine anerkannte Krankheit, gekennzeichnet durch ein gestörtes Belohnungssystem und einen Kontrollverlust über Konsum oder Verhalten. Und Belohnungen – jaaaaa, die gibt es zahlreich: Zack, da ist der Beifall von Christian, hier ein Lacher von Karin, und irgendein Robert hat sogar kommentiert. Dopamin pur, und trotz 50 monatlichen Oecken für die Premium-Mitgliedschaft immer noch billiger als das Dope vom Dealer um die Ecke. Was, der blasse Typ da von diesem Sender hat 4.325 Kontakte mehr als ich?! Das muss geändert werden! Aber wie? Zunächst einmal gilt es zu begreifen, wie man einen beklatschten Kommentar zu einem gereposteten Like auf ein kommentiertes Smiley versendet – oder so ähnlich. Wieder ein paar Stunden draufgegangen. Ebenso für das Ablichten von sich selbst neben dem Busfahrer, der Apothekerin, meiner Nachbarin, Zahnärztin und dem Blumenverkäufer am Eck. Ja entschuldigen Sie mal: Selfies müssen sein, so wurde mir geheißen! Also rase ich seitdem wie ein Bekloppter durch die Straßen, in der Hoffnung, die Menschen fühlen sich nicht durch meine Umarmungen belästigt. Ganz wichtig scheint zu sein, auch aus den banalsten Ereignissen einen Nutzen fürs geschäftliche Weiterkommen herzuleiten. Während ich auf Instagram einfach ein Foto der umgekippten Tasse hochlade, weil im Malheur das Gesicht von Jesus erschienen ist, beginne ich den entsprechenden Beitrag auf LinkedIn mit "Warum ich heute Morgen meinen Kaffee verschüttet habe, und was Sie daraus für Ihr Business lernen können". Irgendjemand lässt mir bestimmt ein "Wow, danke, was für ein wertvoller Beitrag" da. Denn wenn die Karriere mal nach unten geht, die Daumen nach oben bleiben. Die Hoffnung, zwei flotte Fliegen mit einer Klappe zu erledigen und endlich meinen ebenso überteuerten Tinder-Account löschen zu können, habe ich schon nach einer Woche aufgegeben. Hier geht es nur ums Geschäft, verstanden. Darum arbeite ich brav daran, ein wertvoller InLinker zu werden, ganz im Sinne von Karl Valentin , der schon lang vor Social Media wusste: "Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen". In diesem Sinn wünsche ich Ihnen eine sprachlose Restwoche mit mehr Zuhören als Reden! Vielleicht begegnen wir uns ja mal – draußen, im echten Leben… Alle Bulo-Beobachtungen lesen Publikaturist und Gary-Glotz -Kreativchef Peter “Bulo” Böhling hat sich jahrelang gegen LinkedIn gesträubt. Auf Drängen von Freunden und Geschäftspartnern meldete er sich vergangene Woche nun doch bei dem beruflichen Netzwerk an – und fragt sich in seiner heutigen Kolumne, warum er das getan hat. Von Bulo Nachdem mir aus meinem Umfeld von Prügel bis hin zu Liebesentzug so ziemlich alles angedroht wurde, wenn ich jetzt nicht endlich diesem Netzwerk beitrete, habe ich nach langjährigem, tapferem Widerstand nun kapituliert und mir als MTLA (Much Too Late Adopter) auf LinkedIn einen Account gebastelt … und bereits nach ein paar Tagen gegrübelt, ob es nicht doch besser gewesen wäre, sich für die Peitschenhiebe auf die Fußsohlen oder die ewige Verdammnis zu entscheiden. Nein, nein, das ist schon dufte, alle mal wiederzusehen, die einem so im Laufe des beruflichen Lebens über den Weg ins Corner Office gestolpert sind. Wie ein Freundschaftsbuch für Altgewordene oder eine Art Klassentreffen. Mit dem Unterschied, dass man nicht all die lästigen Fragen beantworten muss, was man denn so treibe, denn das hämmert man sich ja gut sichtbar ins Profil, unter das fancy Foto mit der möglichst aufdiekackehauenden Job-Description. Was ich allein darauf für Zeit ver(sch)wendet und Essensrufe meines Nachwuchses unbeantwortet ließ – ein Graus! Einerseits schäme ich mich dafür, andererseits hat die Weltgesundheitsorganisation Sucht als Abhängigkeitssyndrom mit körperlichen, kognitiven und Verhaltenssymptomen klassifiziert. Damit ist sie eine anerkannte Krankheit, gekennzeichnet durch ein gestörtes Belohnungssystem und einen Kontrollverlust über Konsum oder Verhalten. Und Belohnungen – jaaaaa, die gibt es zahlreich: Zack, da ist der Beifall von Christian, hier ein Lacher von Karin, und irgendein Robert hat sogar kommentiert. Dopamin pur, und trotz 50 monatlichen Oecken für die Premium-Mitgliedschaft immer noch billiger als das Dope vom Dealer um die Ecke. Was, der blasse Typ da von diesem Sender hat 4.325 Kontakte mehr als ich?! Das muss geändert werden! Aber wie? Zunächst einmal gilt es zu begreifen, wie man einen beklatschten Kommentar zu einem gereposteten Like auf ein kommentiertes Smiley versendet – oder so ähnlich. Wieder ein paar Stunden draufgegangen. Ebenso für das Ablichten von sich selbst neben dem Busfahrer, der Apothekerin, meiner Nachbarin, Zahnärztin und dem Blumenverkäufer am Eck. Ja entschuldigen Sie mal: Selfies müssen sein, so wurde mir geheißen! Also rase ich seitdem wie ein Bekloppter durch die Straßen, in der Hoffnung, die Menschen fühlen sich nicht durch meine Umarmungen belästigt. Ganz wichtig scheint zu sein, auch aus den banalsten Ereignissen einen Nutzen fürs geschäftliche Weiterkommen herzuleiten. Während ich auf Instagram einfach ein Foto der umgekippten Tasse hochlade, weil im Malheur das Gesicht von Jesus erschienen ist, beginne ich den entsprechenden Beitrag auf LinkedIn mit “Warum ich heute Morgen meinen Kaffee verschüttet habe, und was Sie daraus für Ihr Business lernen können”. Irgendjemand lässt mir bestimmt ein “Wow, danke, was für ein wertvoller Beitrag” da. Denn wenn die Karriere mal nach unten geht, die Daumen nach oben bleiben. Die Hoffnung, zwei flotte Fliegen mit einer Klappe zu erledigen und endlich meinen ebenso überteuerten Tinder-Account löschen zu können, habe ich schon nach einer Woche aufgegeben. Hier geht es nur ums Geschäft, verstanden. Darum arbeite ich brav daran, ein wertvoller InLinker zu werden, ganz im Sinne von Karl Valentin , der schon lang vor Social Media wusste: “Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen”. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen eine sprachlose Restwoche mit mehr Zuhören als Reden! Vielleicht begegnen wir uns ja mal – draußen, im echten Leben… Alle Bulo-Beobachtungen lesen